Mr. 100 Prozent: spring-reiter.de besucht Andreas Kreuzer in Damme

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Andreas Kreuzer geht zielstrebig voraus: Noch rollen schwere Baufahrzeuge über das Gelände, wuseln Handwerker, dröhnen Bohrmaschinen. Alles und jeder ist in Bewegung. Anfang 2019 soll der Umbau mit zusätzlichen Boxen und einer neuen Reithalle im Reitsportszentrum Damme endlich fertig sein.

Andreas Kreuzer ist angekommen. In Damme und bei sich. Hier hat der Nationenpreisreiter und Deutsche Meister von 2016 eine neue Heimat für sich und seine Pferde gefunden und 50 Boxen gepachtet.  Und er hat Großes vor.  Als Spitzenreiter, Ausbilder, Trainer, Netzwerker und Geschäftsmann. Erst im September gewann der 28jährige im Sattel von Calvilot den Großen Preis von Paderborn und auch seine Schüler sind hoch erfolgreich im Parcours unterwegs.

„Ich will immer alles zu 100 Prozent machen, egal was“, bringt es der sympathische 28jährige, der sich selber als sehr ehrgeizig beschreibt, auf den Punkt. Und er hat einen Plan – einen Business-Plan mit drei Säulen: Da ist zum einen der Beritt und die Ausbildung junger Spitzenpferde und zum anderen das Training und Management ambitionierter Schüler. Die dritte Säule bilden die Investoren, die Anteile an Pferden erwerben und zu Events geladen werden. Musste Kreuzer früher für ein Investment in die Vierbeiner noch ordentlich Überzeugungsarbeit leisten, kommen heute auch schon mal Investoren auf den erfolgreichen Springreiter zu. Dann werden maßgeschneiderte Pakete geschnürt, erhalten die Geldgeber Anteile an den Pferden.

„Das ist natürlich nicht immer alles ganz so einfach, wenn mehreren etwas gehört, aber es funktioniert“, erklärt Kreuzer. Ein Macher-Typ, überzeugend, gradlinig, strukturiert. Sein Spitzenpferd, den elfjährigen Oldenburger Wallach Calvilot (v. Calvaro Z), konnte er sich mit diesem Konzept schon sechs Jahre sichern. Dabei hatten die Investoren erst gar nichts mit Pferden am Hut. Heute sind sie längst vom Pferdevirus infiziert. Zum Glück für das Dreamteam Kreuzer und „Calvi“.

Denn wie schnell es im Springsport hoch und runter gehen kann, hat Kreuzer, der als Kind auf dem elterlichen Hof Ponys ritt und  bereits mit 12 Jahren sein erstes S-Springen bestritt, schon oft erfahren. Noch gut hat er seine schwierige Anfangszeit im Stall von Paul Schockemöhle vor Augen: „Ich hatte bei der Europameisterschaft der Junioren 2008 gerade die Bronzemedaille mit der Mannschaft gewonnen und fühlte mich als König“, lacht Kreuzer heute. Doch im Stall Schockemöhle wurde der Junioren Reiter schnell vom Thron auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.

„Da konnten alle reiten, ich war einer von vielen, durfte erst mal nur Pferde versorgen und misten. Nach drei Monaten hatte ich eigentlich die Nase voll und wollte nach Hause“, erzählt der gebürtige Nordrhein-Westfale offen. Zum Glück kam es anders und Kreuzer blieb, auch weil eine Reise nach Wellington lockte. Danach durfte er dann endlich sein Talent im Sattel zeigen. Für Höhenflüge gab es allerdings immer noch keinen Anlass.

„Eines Tages kam ein TV-Sender in den Stall, um Paul Schockemöhle beim Unterrichten zu filmen. Ich ritt also als Schüler vor und Paul Schockemöhle sprach die ganze Zeit Englisch mit mir, da er nicht wusste, wer ich war. Das war mir so peinlich“, erinnert sich Andreas Kreuzer. Irgendetwas muss dem Pferdemann Schockemöhle dann aber doch sehr überzeugt haben: Er setzte Andreas Kreuzer auf seinen Lieblingshengst, den heute legendären Mecklenburger Springpferdevererber Chacco-Blue, und eine Erfolgsgeschichte fand ihren Anfang. Zusammen gewannen sie u.a. den Großen Preis in Neumünster und wurden Dritte im Großen Preis von Aachen (2011).

Doch dann schlug das Schicksal zu: Unerwartet stirbt Chacco-Blue 2012 an Borreliose. Andreas Kreuzer wechselt in den Stall von Bundestrainer Otto Becker. Im Jahr 2014 wagt der damals 24jährige dann den Schritt in die Selbstständigkeit.

„Es sind nicht die Erfolge, die einen nach vorne bringen, sondern die Niederlagen“, davon ist Andreas Kreuzer überzeugt. Er hat von den Besten gelernt. Auch Demut. „Als junger Bursche musste ich mir erst einmal Chancen erarbeiten. Sicher habe ich auch ein paar versemmelt. Ich bin sehr emotional, stehe mir damit vielleicht auch manchmal im Weg. Aber ich habe auch immer sehr selbstkritisch an mir gearbeitet“, resümiert Kreuzer. Und er gibt zu: „Früher war ich nicht so selbstbewusst, war schnell nervös und habe darauf gehört, was andere sagen. Aber das verunsichert einen nur. Davon muss man sich frei machen.“

Heute ist Andreas Kreuzer selber Chef, hat in Damme vier Bereiter, einen Reitlehrer, Stallpersonal und eine Bürokraft angestellt. Mit im Team ist auch sein „kleine Schwester“ Annika, selbst bis S***-Springen erfolgreich unterwegs. Sie hilft ihrem Bruder beim Ausbilden der jungen Pferde. „Das ist natürlich super, auch weil die Eltern nun noch öfter vorbei kommen“, erzählt der bekennende Fußball- und eingefleischte Borussia Dortmund-Fan.

Sorgen um künftige Kracher im Parcours muss sich Kreuzer auch nicht machen. Große Hoffnungen legt er auf den achtjährigen Holsteiner Casall-Sohn Cascorrado, der seinem Vater nicht nur super ähnlich sieht, sondern ebenfalls, so Kreuzer, ein „Ausnahmepferd“ ist. Bisher hat er ihn, ganz nach seinem System, „sehr schonend“ eingesetzt. Nächstes Jahr ist der Braune dann, so hofft Kreuzer, für schwerere Aufgaben bereit.

Ein besonderes System verfolgt Kreuzer auch beim Training seiner Schüler. So bereitet er derzeit die Schwedin Klara Bostam Edin auf die Schwedischen Meisterschaften im November vor. „Die Basis ist der gleichmäßige Rhythmus und ein guter Ablauf am Sprung. Es ist wichtig, erst einmal mit leichten Übungen einen Automatismus zu entwickeln. So ein festes System schafft Sicherheit und wenn es mal  hakt, der Reiter in alte Muster zurück fällt, kann er immer wieder zu diesen Übungen zurück kehren“, erklärt der Trainer, der oft auch „ein guter Psychologe“ für die Schüler sein muss.

Eigene Ziele im Springsattel verliert Andreas Kreuzer, trotz der zahlreichen Zukunftsplanungen, nicht aus dem Blick. „Nach dem Erfolg in Paderborn bereite ich mich jetzt auf das DKB-Riders-Tour Finale in München Ende November vor.“ Da möchte Kreuzer auf jeden Fall vorne mitmischen. Und dann wäre da noch so ein Traum, ein besonders Ziel für den ehrgeizigen Kreuzer: Olympia 2020 in Tokio. „Das ist immer im Hinterkopf, auch wenn ich weiß, dass diesen Traum viele träumen, am Ende einfach alles zusammen passen muss.“

spring-reiter.de drückt Andreas Kreuzer auf jeden Fall die Daumen und bedankt sich für das nette Gespräch!

Autorin: Corinna Philipps