Es ist Endspurt-Hektik in Neumünster vor dem Start in die 69. VR CLASSICS am Donnerstag mit dem Holstein-Tag. Das ist dann die Stimmung, in der auch Co-Veranstalter Paul Schockemöhle ins Plaudern kommt und in Erinnerungen kramt.
1951 startete dieses Pferde-Festival, aber richtig geprägt wurde es zum ersten Mal durch den legendären August Christian Horn, der von 1969 bis 2008 die nationale und internationale Reiterelite zu Beginn eines jeden Jahres in der Pferdestadt Neumünster zum Familientreffen zusammenholte. „Wir waren befreundet“, erinnert sich Paul Schockemöhle. „Vor 47 Jahren habe ich hier sogar mal den Großen Preis gewonnen. Aber eigentlich hatte ich im Januar und Februar immer Turnierpause.“
Denn diese Zeit nutzte der mehrfache Europameister, Mannschafts-Vize-Weltmeister und Silber- und Bronzemedaillen-Gewinner bei Olympia, um sich um seinen früh aufgebauten Handelsstall zu kümmern. „Ich bin da viel rumgefahren“, erinnert er sich grinsend, „auch in Schleswig-Holstein. Denn die waren damals führend in der Welt bei den Springpferden. Ich kenne deshalb hier so ziemlich jedes Dorf.“ Im Winter 2007/2008 rief ihn August Christian Horn an und kam, wie es seine Art war, schnell zur Sache. „Willst Du die VR Classics übernehmen?“, fragte er, wie sich Paul Schockemöhle erinnert. „Ich sagte, grundsätzlich kann man darüber reden, kommt auch auf die Bedingungen an. Seine Antwort: Willst Du oder willst Du nicht.“ Der Jüngere sagte OK und bekam zur Antwort: „Dann machen wir das so – und jetzt gehen wir essen.“
Selbst jemand, der als Pferdehändler schon viele Geschäfte per Handschlag geregelt hatte, kam da ins Schlucken. „Ich habe ihn gefragt, ob wir nicht einen Vertrag machen müssten. Seine Antwort war: Wenn ich einen Vertrag hätte machen wollen, hätte ich Dich nicht angerufen.“
So schnell ging das, und seitdem prägt Paul Schockemöhle mit seiner Frau Bettina das Traditionsturnier, das inzwischen mit einem Etat von fast 1 Million Euro und durchgehend vollen Holstenhallen eine Erfolgsgeschichte ist. „Das wird auch in diesem Jahr wieder ein Wettkampf von Deutschen und Ausländern gegen Holstein“, ist sich der Veranstalter sicher. „Es gibt sehr gute Nennungen mit Top-Leuten aus der Welt. Und dies ist das Spitzenturnier, was das Fachwissen des Publikums angeht, und eben zugleich ein Familienturnier.“
Paul Schockemöhle selbst konzentriert sich naturgemäß vor allem auf die Springreiterei, während Bettina Schockemöhles Herz in erster Linie den Dressurreitern gehört, die hier eine der wichtigen Weltcup-Stationen ansteuern. „Ich habe da so einen kleinen Resthof in Mecklenburg“, stapelt ein grinsender Paul Schockemöhle tief, wenn er von seinem Gestüt in der Lewitz spricht, wo auf rund 3.000 Hektar etwa 3.000 Pferde schnauben und jährlich um die 500 Fohlen zur Welt kommen. Springpferde vor allem, zu denen er im Schnitt jede Woche mindestens einmal hinfährt. Natürlich züchtet er auch Dressurpferde, aber „da ich von Natur aus eigentlich faul bin, habe ich da jemanden, der davon mehr versteht, nämlich Michael Klaphake.“
Aber bei den VR CLASSICS von Donnerstag bis Sonntag wird von seiner „eigentlichen Faulheit“ nichts zu spüren sein. Vor allem viele Holsteiner Züchter, die er zum Teil schon seit Jahrzehnten durch seine Dorf-Touren kennt, werden das Gespräch suchen. Wie sagte Vielseitigkeitsreiter Kai Rüder, der nicht nur wie Michael Jung auch bei den Springprüfungen startet, sondern sogar schon mit Frack und Zylinder Dressurkür in Neumünster geritten ist: „Die Holstenhallen sind für viele hier eine Wohnstube. Die Atmosphäre ist familiär und geht dabei über die eigene Familie hinaus.“