Mehr als 100 große Titel hat John Whitaker in seinem Leben gewonnen, aber trotzdem ist seine Leidenschaft für den Reitsport noch immer ungebrochen: “Die Leute fragen mich manchmal, wie lange ich noch reiten werde. Ich sage dann, ich fühle mich gut. Ich werde noch länger weitermachen, denn ich habe ein neues Paar Stiefel.” Von Aufhören kann also keine Rede sein. Gerade hat nur eine störende Stange verhindert, dass er gegen Sohn Robert und Neffe Donald wieder einmal im Stechen um den Sieg im King George V Gold Cup in Hickstead, den er schon drei Mal gewonnen hat, zur Familien-Challenge antreten konnte. Die Legende reitet also hocherfolgreich auf höchstem Niveau weiter und wird an diesem Dienstag, dem 5. August, wirklich schon 70 Jahre alt!
Happy Birthday, John Whitaker, und auf viele weitere Jahre gesund im Sattel zur Freude alle Reitsport-Fans, die jeden seiner Auftritte, nicht nur in Hickstead, sondern überall auf der Welt mit großem Beifall begleiten!
Der Mann aus Huddersfield, einer Universitätsstadt im englischen Yorkshire, startete vor 49 Jahren seine unvergleichliche Karriere mit dem ersten Gewinn der britischen Meisterschaft auf Ryan’s Son, dem Pferd seines Schwiegervaters. Mit Ryan’s Son gehörte er auch acht Jahre später zum britischen Silber-Team bei Olympia in Los Angeles. Allein dies zeigte schon früh seine Horsemanship, denn bei ihm werden die Pferde genau wie ihr Reiter im Parcours alt und bleiben topfit im Sport.
Sein fünf Jahre jüngerer Bruder Michael gehörte mit zur erfolgreichen Mannschaft in Los Angeles. Sie waren damals ein gefürchtetes Duo auf allen Springplätzen der Welt, hocherfolgreich und kaum zu schlagen. Später, im fortgeschritteneren Alter, erinnerten sie beim Kommentieren von Ritten an Statler und Waldorf: Kein Wort zu viel, kurz und auf den Punkt treffend.
Vor allem ein Pferd machte John Whitaker zur Berühmtheit: Der legendäre Schimmelhengst Milton. Mit ihm holte er Einzel- und Mannschafts-Gold bei der Europameisterschaft 1987, mit ihm gewann er Einzel-Silber und Mannschaftsbronze bei der WM 1990 und siegte in den Weltcup-Finals 1990 und 1991. „Milton war mein absoluter Favorit. Er war kein sehr großes Pferd, aber wenn er in die Arena ging, wuchs er”, erinnert sich John Whitaker an sein Herzenspferd.
Insgesamt fünf WM-Medaillen und elf Europameisterschafts-Medaillen holte John Whitaker nach Huddersfield, wo in Yorkshire die drei Brüder John, Michael und Stephen mit ihren längst ebenso erfolgreichen Kindern eine ganze Reiter-Dynastie begründeten. Und natürlich gehört auch ein Sieg beim Großen Preis von Aachen, 1997, zu seiner unendlichen Erfolgsgeschichte.
Die auch von gesundheitlichen Widrigkeiten höchstens kurz einmal unterbrochen, aber nie gestoppt werden konnte. Den tiefsten Einschnitt gab es am Freitag, dem 1. Dezember 2000 in Stockholm. John Whitaker war bei dem Turnier dort gar nicht selbst am Start, sondern betreute seine Kinder. Ein Gehirnschlag traf den 45-Jährigen mittags im Hotelzimmer, Sohn Robert fand den bewusstlosen Vater und alarmierte den Rettungsdienst. John Whitaker wurde sofort in der schwedischen Hauptstadt operiert – und erzählte ein paar Tage später: “Ich bin noch ein wenig schwach. Reiten darf ich noch nicht. Und fürs Autofahren brauche ich vorerst einen Chauffeur.” Er hörte zwangsläufig mit dem Rauchen auf, wurde nach drei Wochen aus dem Krankenhaus entlassen, und als Weihnachtsgeschenk gab es einen Sieg von Sohn Robert in der Londoner Olympiahalle. Und dann? Im Juni schwang sich John Whitaker beim Aachener CHIO ungerührt selbst wieder in den Sattel.
Natürlich konnte ihn auch keiner seiner vielen Stürze im Parcours davon abbringen, immer wieder aufzusteigen, auch nicht in hohem Alter. Kurz geschüttelt, ein knappes „Mir geht es gut“, und weiter ging es immer, manchmal eben nach medizinischen Zwangspausen.
„In diesem Sport verliert man mehr, als man gewinnt, und man muss lernen, damit umzugehen. Man muss in der Lage sein, sich aufzurappeln, zurückzukommen und es an einem anderen Tag zu versuchen.“ Das ist das Lebensmotto von John Whitaker. Und sein Rat: „Eines ist in diesem Job sicher: Man wird Enttäuschungen erleben, und man muss lernen, damit umzugehen. Man muss enttäuscht sein, sonst versucht man es nicht hart genug.“
Und die Geschichte geht zum Glück weiter. “Ich bin noch nicht fertig. Ich will immer noch weitermachen und gewinnen.” In diesem Sinne: All the best, John Whitaker!