Er ist ein Mann mit vielen Talenten, ein Macher und Drahtzieher im globalen Springsport: David Will ist nicht nur ein erfahrener und erfolgreicher Springreiter, sondern auch Chef d’Equipe der saudischen Springreiter, international gefragter Trainer und Händler sowie zusammen mit Richard Vogel zudem Manager des aufstrebenden Pferdesport-Unternehmens VW Equestrian. Der Mannschafts-Vize-Europameister (2021) ist einer, der sich einmischt, out of the box denkt, sich auch politisch interessiert – und trotz aller Verantwortung immer gute Laune sowie Optimismus ausstrahlt.
Der vielseitige 37-Jährige hat spring-reiter.de im Interview verraten, wie er seine verschiedenen Rollen unter einen Hut bekommt, warum sich ein guter Reiter auf die unterschiedlichsten Pferde einstellen können muss und was sein peinlichster Moment im Sattel war.
Wie bekommst Du all Deine verschiedensten Job-Profile vom Spitzenreiter über Chef d’Equipe bis Unternehmer unter einen Hut?
David Will: „Das geht am Ende nur im Team. Alleine hätte ich so keine Chance. Das war auch schon mein Gedanke, bevor Richard und ich VW Equestrian gegründet haben. Wenn Du alleine bist und sportliche Ziele verfolgen möchtest, dann muss man ein bisschen im Handel aktiv sein, damit sich alles dreht. Dann kannst Du vielleicht noch einen Kunden betreuen, einen Schüler haben, und dann bist du ausgelastet. Wenn man das aber zusammen macht, so wie wir, dann kannst Du das natürlich multiplizieren. Man kann zu Zweit eben viel mehr Kunden betreuen, weil man sich alles so etwas zuschieben kann. Nicht nur Kunden und Schüler, sondern auch Pferde. Wenn z.B. Richard und Sophie unterwegs sind, dann kann ich mal zu Hause deren Pferde mitreiten. Wenn Richard und ich weg sind, dann haben wir Sophie und natürlich noch das Team zu Hause. Ich hinke ja sportlich derzeit etwas hinterher, aber wenn man so wie Richard und Sophie in den Top-10 oder Top-25 sein will und immer von Mi bis So auf einem Turnier ist, geht das nur, wenn die Pferde zu Hause trotzdem genauso gut gearbeitet werden.“
Wer gehört zu Eurem Team zu Hause?
David Will: „Wir haben als Reiterin Pia-Luise Baur im Team, die jetzt auch bei den Sechsjährigen mit Mini Million Bundeschampion in Warendorf wurde. Dann haben wir noch drei Jungs, die zu Hause und auch auf den Turnieren reiten. Dann kommen natürlich noch Pfleger hinzu. Ganz wichtig in unserem Team ist Simone Lynch, die macht unser Büro. Die ordnet unser Chaos. Das ist eine wichtige Schlüssel-Figur bei uns.“
Sind deine vielen Jobs der Preis, den Du zahlen musst, dass du gerade nicht in den Top 25 der Welt bist und mit anderen Verpflichtungen ausgelastet bist?
David Will: „Ich habe ganz tolle Pferde zu reiten. Aber für die Top-10 oder Top-20 bräuchte ich noch ein bis zwei Pferde mehr auf diesem Level. Ich bin schon sehr motiviert. Aber wir sind natürlich als Team auch super happy, dass wir es so schaffen, dass Richard und Sophie in der Weltrangliste so weit vorne stehen. Sophie ist natürlich auch Dank der Unterstützung von Deborah Mayer von den Iron Dames so gut beritten. Daher hat es für sie auch diesen großen Karrieresprung gegeben, auch wenn Sophie natürlich schon immer richtig hart gearbeitet hat. Aber durch die Unterstützung von Deborah Mayer gab es schon so einen richtigen Boost.
Ich muss bei mir mit den Pferden noch etwas Aufbauarbeit leisten. Wir haben viele junge Pferde, die nachkommen. Das ist auch das A und O, wenn man sich weiter entwickeln will, muss man immer an morgen denken. Daher haben wir ganz viele sehr talentierte junge Pferde, das spiegelt für uns auch immer das Bundeschampionat wieder. Wir waren da die letzten Jahre immer sehr erfolgreich. Wir nutzen das immer mehr so als Gradmesser, um zu gucken, wo wir stehen, und nicht unbedingt als Vermarktungsplattform. Wir haben ganz wenige Pferde, die dort gegangen sind, auch dort oder deswegen verkauft. Die allermeisten Pferde sind bei uns viel älter geworden. Die Bundeschampionate sind für uns auch eine motivierende Ausbildungshilfe. Wenn man mit einem jungen Pferd auf ein Ziel hinarbeitet, konzentriert man sich viel mehr darauf und verbringt mehr Zeit damit, es auszubilden.“
Ist es ein großer Balance-Akt zwischen dem Spitzensport auf der einen Seite und der Ausbildung von den jungen Pferden?
David Will: „Ja, das ist schon ein Balance-Akt, aber uns macht das auch einfach großen Spaß. Wir sehen das nicht als Arbeit oder Aufwand an, die Pferde sind unsere Leidenschaft.“
Was nimmt bei Dir die meiste Zeit in Anspruch?
David Will: „Die meiste Zeit verbringe ich schon immer noch im Sattel. Aber auch das Training und das Management mit den Saudis macht mir riesigen Spaß. Das sind super Jungs, die richtig talentiert sind und im Sport weit kommen wollen. Ich sehe mich da nicht unbedingt nur als Trainer, sondern ich begleite die Reiter. Ramzy Al-Duhami (53) ist schon etliche Olympische Spiele geritten, da war ich noch ein kleiner Bub, insofern ist das alles eher ein Austausch. Natürlich ist unser Netzwerk relativ groß. Deswegen können wir auch viel Unterstützung leisten. Nicht nur aufs Training der Pferde bezogen, sondern auch auf das ganze Management.“
Wie viele Pferde habt ihr derzeit genau?
David Will schmunzelt: „Das ist jetzt vielleicht etwas peinlich, aber die genaue Anzahl habe ich gerade nicht im Kopf. Dann müsste ich die Liste einmal durchzählen.“
David zeigt eine große Pferde-Liste auf seinem Handy. An vier verschiedenen Standorten von Pfungstadt, über Biblis, Darmstadt bis Wellington stehen die Pferde von VW Equestrian. Das soll sich bald ändern. Ende vergangenen Jahres erwarben David und Richard eine bestehende Reitanlage in Rodgau bei Frankfurt. Hier will das VW-Team nach der Fertigstellung des geplanten Neubaus künftig alle Energien und Ressourcen bündeln.
Bis es soweit ist, nimmt die Planung des neuen Reitsportzentrums ebenfalls viel Zeit in Anspruch…
David Will: „Wir haben sehr lange gesucht, bis wir dieses Objekt gefunden haben.
Die Lage ist für uns ideal. In 20 Minuten ist man am Flughafen in Frankfurt, das Areal liegt verkehrsgünstig aber dennoch idyllisch und ruhig direkt am Waldrand. Hier können die Pferde entspannen, und man kann auch super ausreiten. Es soll ein hochmodernes Reitsportzentrum entstehen, mit allem, was dazu gehört. Unser Plan ist es, alles zu bündeln. Damit wir die Vorteile mit unserem Team noch besser ausspielen können. Das muss aber natürlich alles so ein bisschen wachsen. Am Ende wollen wir für die Pferde-Zucht und die Ausbildung ideale Bedingungen schaffen. In der Planung ist auch, dass man dort mal irgendwann Turniere veranstalten kann.“
Wann wollt ihr in den neuen Stall in Rodgau einziehen?
David Will lacht: „Ende 2027 könnte es vielleicht fertig sein. Ich habe in meinem Leben noch nicht von einem Bauprojekt gehört, dass früher fertig wurde, als geplant. Und ich kenne jetzt 12 Ämter mehr als vorher, wo ich nicht wusste, dass es die überhaupt gibt. Von daher gebe ich mich da keinen Illusionen hin. Aber man muss natürlich auch ein Ziel im Kopf haben.“
Die Zucht soll künftig auch ein wichtiger Bestandteil bei euch werden. Züchtet ihr jetzt schon?
David Will: „Jein. Bisher haben wir Fohlen mehr zugekauft als gezüchtet. Dieses Jahr haben wir zum ersten Mal unsere besten Sportstuten besamen lassen und Embryo-Transfer gemacht.“
Welchen Typ Pferd sucht ihr bei VW-Equestrian?
David Will: „Gute Frage. Unser Typ Pferd lässt in erster Linie die Latten in den Auflagen. Natürlich gucken wir nach modernen Typen. Es ist ja heute so, wenn zwei Reiter ähnlich gut reiten, dann ist das Pferd zumindest bei der Zeit oft ausschlaggebend. Es gibt Pferde, die einfach eine viel höhere Frequenz haben als andere. Da kannst du Galoppsprünge auslassen, wie du willst, wenn das andere Pferd einfach eine viel höhere Frequenz hat, dann kommst du nicht hinterher. Das ist natürlich etwas, worauf wir Wert legen. Wir gucken aber auch auf die Technik, die Elastizität, die Kraft am Sprung, die Dinge, die man sehen kann. Auf den Charakter und die Einstellung des Pferdes, ob es den nächsten Sprung sucht und mitmachen will oder nicht.Richtig ausschlaggebend ist am Ende allerdings das Gefühl, wenn man drauf sitzt. Ganz oft sehen Pferde, in Anführungsstrichen, „normal“ aus, machen kein Spektakel am Sprung, springen 2 Zentimeter über die Stange und nicht 20 Zentimeter, aber geben dem Reiter ein super Gefühl. Ausschlaggebend ist wirklich das gute Gefühl. Man musst auch im Kopf frei genug sein, um die Stärken der Pferde zu erkennen. Und sie im Zweifel auch so lassen, wie sie sind und sie nicht in irgendeinen Rahmen pressen wollen. Bei uns im Team ist Richard Vogel derjenige, der am meisten herumfährt und sich ganz viele junge Pferde ansieht. Er ist da sehr engagiert. Auch das Anreiten junger Pferde macht er außergewöhnlich gut.“
Was war als junger Reiter Deine größte Challenge und wie hast Du diese gemeistert?
David Will: „Ich habe mit 13 Jahren schon das erste Mal S geritten und erst mit 23 Jahren mein erstes S gewonnen. Das hat mich am Ende schon sehr belastet. Da ist die eine oder andere Träne geflossen. Meine Mama kann da ein Lied von singen. Da war meine Geduld auch so ein wenig erschöpft. Das war eine echte Challenge für mich damals, daran zu glauben, dass ich ein S-Springen gewinnen kann. Heute lache ich darüber. Aber damals war ein S-Springen zu gewinnen auch noch etwas sehr Besonderes. Es gab ja auch viel weniger Turniere als heute. Als ich mit 23 Jahren dann mit meinem Pferd Don CeSar mein erstes S gewann, war es ein riesiges Highlight. Dieses Pferd hat dann auch wirklich meine Karriere geprägt und mir den Weg geebnet. Mit ihm habe ich meinen ersten Großen Preis und einen Nationenpreis gewonnen und mit ihm war ich auch das erste Mal beim CHIO Aachen am Start.“
Wie hast Du gelernt, Dich auf die verschiedensten Pferde einzustellen?
David Will: „Ich hatte das Glück, dass ich viele Jahre bei Dietmar Gugler in einem großen Turnier- und Handelsstall gelernt und gearbeitet habe. Dadurch hatte ich immer ganz verschiedene Pferde unter dem Sattel. Und das ist auch wahnsinnig wichtig in der Karriere von einem Reiter. Es ist ja ohnehin schon schwer genug, richtig gute Pferde für diesen Sport zu finden. Wenn man sich dann noch auf einen Typ Pferd limitiert, dann wird es schwierig. Ein guter Reiter muss alles reiten können, egal ob klein, groß, heiß oder ruhig.“
Reicht es heute noch, einfach nur gut reiten zu können, um in diesem Sport erfolgreich zu sein?
David Will: „Es ist ein Anfang und es ist auf jeden Fall schon mal sehr viel wert, wenn man gut reiten kann. Es kommt natürlich auch darauf an, was man will.“
Wird der Reitsport heute immer elitärer? Und ist es damit für junge Reiter schwierig, in diesem Sport erfolgreich zu sein?
David Will: „Jein. Die Gesellschaft hat sich verändert. Man sagt heute oft, ohne Geld kommt man nicht mehr in diesen Sport, aber das sehe ich eigentlich nicht so. Die Einstellung der Leute hat sich verändert. Meine Eltern, beide Reitlehrer, hatten zum Beispiel von ihren Familien her gar keinen Bezug zum Reitsport und das wurde auch nicht unterstützt. Die sind dann aber nach der Schule in den Reitverein gegangen und haben dort den gesamten Nachmittag gearbeitet, damit sie am Ende ein Pferd Schritt führen durften. Das würde heute niemand mehr machen. Und wenn es jemand machen würde, der wirklich so ein Feuer in sich hat und Himmel und Hölle in Bewegung setzt, dann schafft der das auch ohne einen finanziellen Hintergrund von zu Hause. Natürlich sind die Preise für Pferde heute explodiert und exorbitant hoch, das ist so. So wie alles teurer geworden ist.“
Bist Du politisch interessiert?
David Will: „Ja, ich bin politisch sehr interessiert, wenn auch nicht engagiert. Mich interessiert das politische und gesellschaftliche Geschehen in der Welt schon sehr. Ich höre auch viel lieber Deutschlandfunk als Musik zum Beispiel.“
Was werden die nächsten großen Veränderungen und Herausforderungen im Reitsport sein?
David Will: „Wir sehen natürlich, dass immer mehr kleine und auch große Turniere wegfallen und wir sind auch traurig, dass wir dieses Jahr nicht in Donaueschingen starten können, weil das ein tolles Turnier ist.
Positiv ist aber, dass der Sport viel globaler geworden ist und tendenziell das Interesse für diesen Sport auf der ganzen Welt immer weiter wächst. Ganz am Anfang meiner Karriere bei Dietmar Gugler reiste ich mal nach Japan und Tiflis, um dort einen Lehrgang mit Dietmar zu machen. Der Sport verbindet uns alle über die Grenzen hinaus. Das ist etwas Schönes. Überall auf der Welt habe ich mittlerweile Freunde, und das ist toll. Natürlich ist es nicht schön, wenn sich Länder nicht grün sind und Kriege führen. Aber ich kenne Leute aus Russland, Israel, aus Saudi Arabien, den Emiraten, Katar, Mexiko, Japan, China und die verstehen sich alle untereinander sehr gut. Ich kenne auch Leute aus der Ukraine, und die verstehen sich super mit ihren russischen Kollegen. Der Sport hilft uns einfach, Brücken zu bauen und zu verstehen, das ist auch nur ein Mensch und ein richtig netter Kerl.“
Was war Dein peinlichster Moment im Parcours?
David Will lacht: „Da gibt es sehr viele peinliche Momente. Eine Sache ist mir allerdings besonders im Gedächtnis geblieben: Ich habe mal in Aachen im Großen Preis von Europa im Stechen die Briefmarken-Mauer gecrashed. Die Woche lief damals noch nicht so gut, und dann bin ich mit Colorit ins Stechen gekommen und war total übermotiviert und wollte richtig schnell reiten. Es war ein längerer Weg zur Briefmarke, und ich wollte so ungefähr, dass Colorit schon 10 Meter davor abhebt. Dann hat Colorit aber gemerkt, das ist keine gute Idee und er wollte stehen bleiben. Wir hatten allerdings so viel Schwung drauf, dass wir in den Sprung reingerutscht sind und die Mauer wie so ein Puzzle auseinandergefallen ist. Colorit saß auf seinem Hintern, und ich bin dann abgestiegen und habe ihn raus geführt. Es ist zum Glück nichts passiert. Aber es war natürlich mitten im Parcours und dann bin ich über den ganzen großen Rasenplatz rausgedackelt mit Colorit. Das war ein sehr peinlicher Moment. Marcus Ehning hat mich dann angerufen und vorgeschlagen, dass wir die Mauer verbrennen, weil er mit dem Hindernis auch nicht die allerbesten Erfahrungen gemacht hatte.“
Text und Interview: Corinna Philipps