Das waren Gänsehaut-Momente im Hamburger Derby-Park: André Thieme und sein großrahmiger Paule S (v. Perigueux) werden von 24.000 jubelnden Zuschauern in Klein Flottbek frenetisch gefeiert. Das Duo hatte zuvor den schwersten Parcours der Welt fehlerfrei bezwungen und das anschließende Stechen gewonnen. Für den Mecklenburger André Thieme war es der vierte Derby-Sieg in seiner Karriere.
Dabei lagen Sieg und Niederlage an diesem Sonntagnachmittag dicht beieinander. Der Zweitplatzierte, der Spanier Esteban Benitez Valle, hatte mit seinem Holsteiner C the Stars (v. Contendro) im Stechen vergessen, eine Wendemarke zu passieren und wurde deshalb eliminiert.
Das Leid des Spaniers, der eigentlich Vielseitigkeitsreiter ist, war das Glück des André Thieme: “Ich habe mich natürlich schon so ein bisschen über das Missgeschick gefreut. Ich wusste, dass ich nur noch irgendwie heil ins Ziel muss. Das war natürlich doof gelaufen für Esteban und im Nachhinein tut es mir schon auch leid für ihn”, gestand der Derby-Sieger André Thieme, der am Ende im Stechen mit einem Abwurf und plus vier Zeitstrafpunkten ins Ziel galoppierte.
“Es ist ein tolles Gefühl, wenn ein Pferd wie Paule spielerisch mit den Anforderungen umgehen kann nach guter Vorbereitung. Am letzten Sonntag habe wir noch mal geübt. Das Problem mit Paule S ist, dass er so nervig und blütig ist. Wenn das Adrenalin einmal drin ist, bekommt man es nicht wieder raus. Am Mittwoch, nach der 1. Qualifikation hatte ich die Ruhe und alles war perfekt. Um diese Ruhe nicht aufzugeben, bin ich die 2. Quali nicht geritten. Da habe ich alles auf eine Karte gesetzt. Letztes Jahr hat Paule nur einmal an der Bahnschranke gestoppt, das habe ich dann ganz in Ruhe geübt. Um so stolzer bin ich, dass er das jetzt so gut umgesetzt hat. Ich reite ihn ohne Sporen, ohne alles und sage immer nur: bleib ruhig Junge. Ich war nur dafür da, ihn auszubremsen”, freute sich Thieme hinterher über die tolle Leistung des großen Braunen. Auch wenn er zugab, dass der Bundestrainer Otto Becker nicht so glücklich über den Derby-Einsatz des Nationenpreis-Duos war.
Sein nächstes Großen Ziel ist die Titel-Verteidigung im Großen Preis von Aachen, wo er vorqualifiziert ist. Mit Paule S, da seine Rolex Grand Prix Stute DSP Chakaria nach einer Verletzungspause noch nicht wieder voll einsetzbar ist. “Da wäre ich ja schön dumm, wenn ich die Chance nicht nutzten würde.”
Ein großes Strahlen im Gesicht hatte auch der Zweitplatzierte, Esteban Benitez Valle. Er hatte sich den Wallach C the Stars von seinem Freund Stephan Dubsky geliehen. “Esteban hat mir mal gesagt, dass es sein größter Traum ist, einmal Derby zu reiten. Er hat mir schon oft geholfen, wenn ich mal verletzt war, und daher wollte ich ihm etwas zurückgeben. Weil ich gerade wieder verletzt bin, habe ich ihm angeboten, C the Stars beim Hamburger Derby zu reiten. Dass das jetzt so ausgegangen ist und die Beiden den Parcours so toll absolviert haben, geht natürlich in die Geschichtsbücher ein”, erzählte ein stolzer Stephan Dubsky, dessen Frau C the Stars nach wie vor gehört, spring-reiter.de.
Und Esteban Benitez Valle, der seit März in Schneverdingen in Niedersachsen beheimatet ist, ergänzt: “Ich habe das nicht erwartet und hab das einfach nur genossen. Ich reite das Pferd erst seit sechs Wochen, aber ich habe mit Stephan viel geübt. Ich hatte auch erst Angst vor dem Wall, weil der Wallach in der 1. Qualifikation so schnell runtergegangen ist, aber heute hat es gut geklappt.” Jetzt steht vielleicht als nächstes Ziel das Derby in Hickstead auf der Agenda: “Das muss Stephan entscheiden.”
Platz drei auf dem Podium ging an den aus Luxemburg stammenden Charles Hubert Chiche auf Andain du Thalie (v. Calvaro). Platz vier holten die Derby-Routiniers Frederic Tillmann und DSP Comanche VL (v. Cellestial) vor Guy Williams und BH Gringos Legacy (v. Tullibards Bennys Legacy). Platz sechs sicherte sich Simon Heineke mit Cordillo (v. Corrido).
Der Anrecht Investment Harmonie & Fairness Stilpreis ging in diesem Jahr – wie immer per Zuschauer-Voting entschieden – an das Geburtstagskind, an Marvin Jüngel. Genau heute am Derby-Sonntag feierte der zweimalige Derbysieger seinen 24. Geburtstag. Im Derby-Parcours musste er leider zwei Abwürfe notieren mit seiner Derby-Spezialistin Balou’s Erbin, das Paar landete damit auf Platz neun. Jüngel war trotzdem sehr stolz auf seine Stute und blickte nach vorne: „Wir probieren es das nächste Mal wieder.“
Zufrieden und glücklich war am Ende auch der Veranstalter nach seinem ersten Turnier in Hamburg: “Unser Ziel war es, ein gutes Turnier für die Reiter auf Top-Niveau auf die Beine zu stellen, und die Hamburger Zuschauer sind einfach fantastisch, wie sie mitgehen”, resümierte Veranstalter Matthias Alexander Rath. Immerhin 95.000 Zuschauer kamen an diesem Wochenende in den Derby-Park. “Morgen gehen die Vorbereitungen für das nächste Jahr los. Wir freuen uns schon auf die nächste Ausgabe, wir haben auch ganz viel mitgenommen, was wir noch verbessern wollen.”
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