„Früher bin ich auf jedes Pferd gestiegen, ganz egal wie alt. Das mache ich nicht mehr.“ Interview mit Christian Ahlmann 

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Das letzte Jahr war „hart“ und „lehrreich“ für Christian Ahlmann.  Nach zwei schweren Stürzen, einem Handbruch samt Op und Verletzungspech bei seinen Top-Pferden ist der dreifache Europameister und zweifache Olympia-Bronze-Medaillen-Gewinner  spätestens seit seinem Weltcup-Sieg im belgischen Mechelen im Dezember zurück in der Erfolgsspur. Auch beim Weltcup-Turnier in Leipzig mischte der 49-jährige wieder vorne mit. Wir haben mit Christian Ahlmann über Leichtsinn beim Reiten, neue Pferde, seine Olympia-Ambitionen und über seine Rolle als stolzer Pony-Trainer für Sohn Leon gesprochen. 

„2023 war ein schlechtes Jahr für mich. Bis dahin war ich immer unheimlich lucky. Ich reite mein ganzes Leben. Alte, junge, schwierige und gefährliche Pferde. Das Schlimmste, was ich vorher jemals hatte, war mal ein blauer Fleck. Dementsprechend war das eine neue Situation für mich. Das ich wirklich mal gestürzt bin und mir etwas getan hatte. Ich konnte nicht aufstehen. Das ist bisher nie vorgekommen in fast 40 Jahren. Das war neu für mich“, erzählt Christian Ahlmann, der bereits mit 12 Jahren sein erstes S-Springen gewann und mit 14 Jahren das Goldene Reitabzeichen in der Tasche hatte. 

„Ich habe zwei Stürze hinter mir. Der erste war eigentlich noch wesentlich gefährlicher als der Zweite. Im Februar 2023 setzte ich mich auf ein neues Pferd. Ich kannte es überhaupt nicht. Im Nachhinein ist klar, dass mir die Besitzer auch wesentlich mehr dazu hätten erzählen müssen. Auf jeden Fall habe ich mich beim normalen Reiten – ohne Kappe, ohne alles – überschlagen. Seitdem mache ich nie mehr einen einzigen Schritt ohne Kappe und richtige Ausrüstung. Das war sehr lehrreich“, gesteht Ahlmann heute sichtlich demütig. 

Zwei Monate musste der Nationenpreisreiter pausieren. In Mexiko bei der Global Champions Tour im Frühjahr 2023, das erst das zweite Turnier nach der Verletzungspause war, stürzte der in Marl beheimatete Springreiter erneut. 

 „Da habe ich mir dann die Hand gebrochen und hatte richtig Schulter-Probleme“, erzählt Ahlmann. Erneut musste er eine zweimonatige Zwangspause einlegen. „Ich musste wieder ganz langsam anfangen und war weit weg vom Top-Sport. Ich kann schlechte Situationen dann auch durchhalten. Aber trotzdem ist es nicht angenehm. Alles muss ja irgendwie weitergehen, die Pferdebesitzer und Sponsoren möchten, dass die Pferde gehen. Die müssen dann warten, das machen die auch, aber trotzdem sind viele Dinge zu organisieren, die man eigentlich so nicht geplant hat“, gibt Ahlmann zu, der 2016 für sechs Monate die Weltrangliste anführte und heute auf Rang 37 steht.  

„Am Ende musste ich mich in Geduld üben. Ich habe gemerkt, körperlich geht es noch nicht so gut. Schritt für Schritt habe ich mich dann zurück gearbeitet. Die großen Ziele habe ich erst mal an den Nagel gehängt. Ich musste mich neu positionieren, die Zeit nutzen, um wieder fit zu werden“, resümiert er heute. 

Jetzt geht es endlich wieder aufwärts. „Seit drei Monaten bin ich nun wieder auf einem richtig guten Weg. Das ist ein gutes Gefühl“, gesteht Ahlmann. Insbesondere der Weltcup-Sieg in Mechelen mit seinem Top-Pferd Mandato vd Neerheide (v. Emerald) war Balsam für die Seele. 

Hat er die Stürze beim Reiten heute im Kopf?

„Nein, eigentlich nicht. Aber ich bin auf jeden Fall vorsichtiger geworden. Ich achte sehr auf die richtige Ausrüstung, ich reite keine jungen Pferde mehr, ohne sie zu kennen, zu wissen, was mit ihnen ist. Früher bin ich auf jedes Pferd aufgestiegen, ganz egal, wie alt oder ob ich das schon mal gesehen hatte. Das mache ich nicht mehr. Solchen Dingen gehe ich jetzt aus dem Weg und konzentriere mich darauf, was wirklich wichtig ist, um am Ende auch mehr Sicherheit zu haben. Das muss man positiv sehen, das waren jetzt ja auch Pausen, die zu übersehen sind. Das war doof, aber da musste ich durch“, bringt er die neue Situation auf den Punkt. 

Besonders freut er sich über die tolle Entwicklung seines Spitzenpferdes Mandato vd Neerheide: „Er war immer ein Pferd mit unglaublich viel Vermögen, er kann alles in dieser Welt springen. Schon als junges Pferd war er ein großes Talent, aber durch seine Größe war es damals alles immer etwas wackelig. Sein Körper musste erst einmal zu einem sportlichen Körper heranwachsen. Seit dem letzten dreiviertel Jahr fühlt er sich richtig gut an. Und er ist auch von den Ergebnissen her unheimlich konstant und erfolgreich gesprungen“, freut sich Ahlmann.  Vielversprechende Erfolge bescherte ihm in letzter Zeit auch der zehnjährige Hengst Otterongo Alpha Z (v. Darco). Mit ihm hat Ahlmnan kürzlich in Abu Dhabi und Riad gewonnen. „Er ist ein sehr, sehr vorsichtiges Pferd und der braucht auch ein paar Parcours, um mehr Sicherheit zu bekommen. Wir haben uns Schritt für Schritt voran gearbeitet und nun ist er im Großen Preis angekommen“, sagt Ahlmann. 

Regelrecht ins Schwärmen gerät Ahlmann, wenn er von seinem Youngster, dem siebejährigen Hengst Ansingh de Lis Z, spricht. Mit ihm hat er in Leipzig am Sonntag das Theurer Trucks Youngster Tour Finale gewonnen. „Das ist ein Hammer Pferd. Das ist ein Aganix – das ist unser Hengst – aus einer Kannan Mutter. Den haben wir fünfjährig auf einem Turnier gesehen. Es ist ein sehr blutgeprägtes Pferd, nicht zu groß. Aber er gibt einem ein unglaublich gutes Gefühl, da hat man einen Torpedo im Hintern“, lacht Ahlmann. Noch sei er zwar „etwas wild“: „Aber der hat eine Hammer-Einstellung. Der spitzt die Ohren und geht los!“

Für den Spitzensport hat Christian Ahlmann im letzten November ebenfalls Verstärkung in seinen Stall bekommen: Mit der 13-jährigen Stute Blueberry (v. Conrad) und dem 14-jährigen Classic Dream (v. Colestus), die beide bis dahin von Alois Pollman-Schweckhorst vorgestellt wurden, war er auch schon erfolgreich unter anderem in La Coruna, Abu Dhabi und Riad unterwegs. 

„Weil ich derzeit nicht so viele Pferde habe, hat Alexandra Thornton, die auch unser Global Tour Team unterstützt, gesagt, du kannst meine Pferde reiten. Das sind zwei richtig tolle Pferde“, freut sich Ahlmann. 

Mit den neuen Pferdestärken und einem starken Mandato rückt für Ahlmann, der derzeit im Perspektiv-Kader und nicht im Olympia-Kader ist, auch ein Start bei den Olympischen Spielen in diesem Sommer in Paris wieder näher. 

 „Das ist das Ziel des Sommers. Das muss sich natürlich auch dahin entwickeln. Die Reiter, die Championate geritten sind, sind dann auch im Olympia-Kader und berechtigterweise auch eine Stufe höher. Aber das ist eine offene Gesellschaft. Nach meiner Erfahrung wird das erst am Schluss entschieden. Die Leute, die am fittesten sind und in der besten Form, gehen, was auch richtig ist. Derzeit sind wir allerdings noch weit weg von der Entscheidung. Am Ende sind alle froh, wenn eine Gruppe zusammenkommt, die auch wirklich bestehen kann. Wir haben viele richtig super Reiter. Wir haben gute Pferde, aber trotzdem ist es so schwierig, wirklich drei oder vier Paare am Ende zusammen zu kriegen, von denen man weiß, die reiten sicher Null. Das ist halt das Schwierige. Da ist es wichtig, ein gutes Management zu haben, ein gutes Team und einen guten Plan. Und man darf vorher nicht schon zu viel Pulver verschießen. Am Tag x bei 100 Prozent zu sein, ist die größte Challenge. Da ist es auch egal, ob die Reiter heute im Olympia-Kader oder im Perspektivkader oder in gar keinem Kader sind. Das spielt keine Rolle“, weiß Ahlmann aus Erfahrung. Er selbst hat schon vier Olympische Spiele bestritten, kennt das Geschäft. 

Neu hingegen sind die Turniere, wo er als stolzer Papa und Trainer mit seinem elfjährigen Sohn Leon am Start ist. 

Ist er aufgeregt, wenn sein Sohn in den Parcours reitet? „Ja“, gibt Ahlmann wie aus der Pistole geschossen offen zu. „Leon hatte vor kurzem sein erstes großes Turnier in Maastricht. Da ist er bei einem Pony-Springen gestartet. Das ist eine neue Welt und so schön für uns beide. Wir beide haben vorher noch eine Lichtershow gesehen, die hatte ich vorher noch nie miterlebt, obwohl ich schon seit 20 Jahre zu dem Turnier fahre. Wir haben da gestanden und waren beide nervös. Er springt jetzt so bis einen Meter. So soll er das auch erst mal machen. Er hat die gleichen Probleme, die ich habe im Kleinen“, lacht der stolze Papa. Und freut sich schon auf weitere gemeinsame Turnier-Ausflüge: „Meine Frau und ich genießen das gerade sehr. Die Hauptsache ist, dass er Spaß daran hat. Wenn wir zusammen zum Turnier fahren könnten, irgendwann mal, das kann ich gar nicht abwarten, dass das mal passiert. Das wäre schön.“

Text: Corinna Philipps