Mit neun Jahren gewann sie ihr erstes L-Springen, mit 15 Jahren wurde sie Deutsche Pony-Meisterin, mit 16 Jahren holte sie den Titel Deutsche Meisterin bei den Junioren, mit 17 Jahren bekam sie das Goldene Reitabzeichen mit einer Laudatio von ihrem Onkel Tjark Nagel verliehen: Johanna Beckmann gehört zu den erfahrensten und erfolgreichsten deutschen Nachwuchsreiterinnen – sieben Mal vertrat sie die deutschen Farben bei den Europameisterschaften der Ponyreiter, Junioren und Jungen Reiter. Im Sommer sicherte sich die heute 22-Jährige im Sattel von Emelie van de Mirania Stam zudem den Titel U-25 Deutsche Meisterin in Riesenbeck. Wir haben mit der aus Schleswig-Holstein stammenden Reiterin über ihren Erfolgsweg, starke Nerven, ihre Leidenschaft, ihre Philosophie mit den Pferden, die Young Riders Academy und ihre Prioritäten gesprochen.
Du wurdest in diesem Spätsommer U-25 Deutsche Meisterin in Riesenbeck – wie ordnest Du diesen Erfolg ein?
Johanna Beckmann: „Das ist natürlich cool, gleich im ersten U-25 Jahr so durchzustarten und auf dem Podium mit engen Freunden zu stehen. Das war schon sehr besonders und wir haben hinterher alle zusammen gefeiert
Aber Riesenbeck war eigentlich schon immer ein ganz gutes Pflaster für mich. Bei den Junioren bin ich 2020 mit Cheenook auch schon dort Deutsche Meisterin geworden und ein Jahr davor wurde ich Deutsche Meisterin bei den Ponys im Sattel von Karim van Orchid’s.
Der U-25 Titel in diesem Jahr bestätigt mir natürlich auch irgendwie, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Mein allergrößter Titel war aber sicher die Silbermedaille mit Emelie und dem deutschen Team bei der Europameisterschaft 2022. Das war ein riesen Highlight.“
Gefühlt hast du gestern noch auf Ponys gesessen, bist in Schleswig-Holstein M-Springen im Team-Cup geritten und heute startest Du auf 5*-Niveau durch – das ging schnell…
Johanna lacht: „Ja, das stimmt. Ich hatte halt die große Chance, und ich bin auch sehr dankbar dafür, dass ich vor zwei Jahren bei der Global Tour mitreiten durfte und ich von den Istanbul Warriors in meinem ersten Jahr bei den Jungen Reitern in ihr Team geholt wurde. Aufgrund der großen Qualität von Emelie und Alphajet wurde mir zugetraut, dass ich das schaffe, auch wenn es vielleicht noch nicht perfekt ist. Aber wir sind immer ins Ziel gekommen und das war sehr wertvoll für uns. Das war ein riesen Sprung in den großen Sport.
Der Grundstein dafür wurde natürlich vorher gelegt. Der Nachwuchstrainer der Springreiter, Peter Teeuwen, hat mich früh zu unzähligen Nationenpreisen geschickt. Mit 12 Jahren war ich das erste Mal auf einer Europameisterschaft. In Summe waren das sieben Europameisterschaften. Und das hat mich natürlich unheimlich geprägt. Das hat mir so viel Erfahrung gebracht, dass ich mit relativ viel Gelassenheit in die schweren Springen reiten kann. Unter Druck zu arbeiten, hat mir immer schon gut gefallen. Und ich glaube, davon profitiere ich heute noch sehr. Und ich bin Peter auch sehr dankbar für die ganzen Möglichkeiten, die er mir in Vorbereitung auf den großen Sport gegeben hat.“
Bist Du von Natur aus so ruhig – hast Du Nerven wie Drahtseile?
Johanna schmunzelt: „Ich denke mir immer so vor dem Einritt, in zwei Minuten ist es vorbei, egal, was jetzt passiert. Und dann reiße ich mich eben die anderthalb Minuten zusammen. Und ich will dann ja auch das Beste aus der Situation machen. Ich durfte oft als Vierte in Nationenpreisen starten, und vor allem, wenn ich wusste, jetzt muss es irgendwie klappen, dann ist der Kopf irgendwie aus bei mir und dann fokussiere ich mich. Ich mag das einfach gerne. Aber natürlich hat das auch damit zu tun, dass ich so früh gelernt habe, mit diesen Situationen umzugehen.“
Mit den Ponys warst Du auch immer sehr schnell unterwegs. Bist du komplett angstfrei?
Johanna: „Ich habe durchaus die Erfahrung gemacht, dass es auch sehr schmerzhaft sein kann, wenn man viel Risiko eingeht. Aber wenn der Erfolg da ist, denkt man sich natürlich, das Risiko war es wert. Ich würde immer lieber im Stechen das Risiko eingehen, die Schnellste zu sein und dann vielleicht einen Fehler zu haben, als nur einzureiten für eine sichere Null-Runde. Das wäre es mir nicht wert.“
Ab welchem Alter war es für Dich klar, dass Du in den Großen Sport wolltest und dass Pferde Dein Leben bestimmen?
Johanna: „Ich habe eigentlich immer gesagt: Wenn ich mit der Schule fertig bin, dann studiere ich und die Pferde mache ich nebenbei. Aber das war natürlich pure Theorie und hat nichts mit meiner aktuellen Praxis zu tun. Ich glaube schon, dass die Saison bei der Global Tour unter den ganzen Profis viel mit mir gemacht hat. Da hinein zu schnuppern und zu erfahren, was für ein cooler Sport das einfach ist. Das hat mich noch mal mehr emotional abhängig von den Pferden gemacht. Aber wenn ich ehrlich zu mir bin, war es schon mit dem ersten Pony klar, dass die Pferde mal mindestens 70 Prozent meines Alltags bestimmen. Das hat sich nie geändert. Und wenn man dann wie bei der Global Tour erste größere Erfolge feiern darf, dann gibt einem das einen enormen Push. Ich kann fünf Stunden lernen jeden Tag, aber das gibt mir nicht so viel, wie ein Pferd zu reiten.“
Für den Ausgleich studiert Johanna Beckmann im fünften Semester Wirtschaft und Recht – halb BWL, halb Jura – in Münster.
Johanna: „Das gefällt mir sehr, sehr gut, auch wenn es in Kombination mit dem Reiten natürlich sehr anstrengend ist. Rund 75 Prozent reite ich und 25 Prozent studiere ich. Das muss man wollen, aber der Ausgleich gefällt mir gut. Auch wenn es natürlich oft heißt, zwischen den Prüfungen für Klausuren zu büffeln. Nur bei großen Highlights schiebe ich dann die Bücher mal zur Seite und konzentriere mich nur auf das Turnier.
Ich kann mit dem Studium entweder einen Master machen oder ins juristische Staatsexamen gehen. Was von beiden, weiß ich noch nicht, aber der Ausgleich, neben dem körperlichen Training noch etwas für den Kopf zu machen, ist mir wichtig. Jedes Mal, wenn ich mit den Pferden fertig bin, freue ich mich auf die Uni, und wenn ich mit dem Lernen fertig bin, freue ich mich auf die frische Luft mit den Pferden.“
Aber du siehst dich demnächst nicht irgendwo im Büro?
Johanna lacht laut: „Nee. Einen halben Tag vielleicht irgendwann. In der Praxis kann ich mir das derzeit nicht vorstellen, obwohl ich schon ein Praktikum in einer Kanzlei gemacht habe und ich das auch in meinen Alltag inkludieren konnte. Aber prägen und dominieren werden die Pferde.“
Deine Familie hat Dich vom Pony-Alter bis jetzt immer voll unterstützt – das Familienleben dreht sich um die Pferde…
Johanna: „Ja, da war von meinen Eltern von Anfang an eine 100-prozentige Unterstützung da. Mein drei Jahre älterer Bruder war auch sportlich engagiert und wurde immer unterstützt. Und meine Mutter ist früher selber viel Dressur geritten. Von meiner Großcousine Johanna Huesmann habe ich ein tolles Pony, Moonlight, bekommen. In meiner Familie spielen Pferde eine große Rolle.“
Was ist Deine Philosophie beim Reiten und bei der Ausbildung der Pferde?
Johanna: „Bei uns im Stall stehen derzeit 12 Pferde von 4 bis 14 Jahren. Unsere Philosophie ist, dass wir den Pferden ganz viel Zeit zur Entwicklung geben. Unsere Pferde gehen sehr lange ganz kleine Prüfungen. Wir haben eine tolle Bereiterin, die macht das phantastisch mit den jungen Pferden. Wir richten schon alles nach den individuellen Bedürfnissen der Pferde aus. Ich reite natürlich auch Youngster-Prüfungen und bin früher mit den Ponys oft bei den Bundeschampionaten geritten. Das habe ich viel gemacht, aber jetzt geht das zeittechnisch nicht mehr auf.“
Und wie suchst Du nach neuen Pferden, wie kommst Du an Pferde?
Johanna: „Wir kaufen gerne Pferde, die wir kennen. Zum Beispiel Queen Frieda, die kannten wir. Emelie kam von Karl Brocks und Alphajet kam von meinem Trainer. Ich mag es gerne, wenn ich schon eine persönliche Beziehung zu den Pferden habe. Wir kaufen aber auch schon mal ein junges Pferd aus dem Ausland. Manchmal ist es auch so, dass man zum Beispiel auf dem Abreiteplatz ein spannendes Pferd sieht, sich das eine Weile anschaut und dann fragt, ob es zum Verkauf steht.“
Was ist Dein Typ Pferd? Wie sieht dein idealer Sportpartner aus?
Johanna lacht: „Ich habe zwar einen bestimmten Typ, aber dem entsprechen nicht alle meine Pferde. Meistens sind es eher so die heißeren Pferde, die viel Go haben, Mut und einen ordentlichen Vorwärtsdrang. Ich habe das schon gerne, wenn die Pferde von alleine losziehen und den Sprung suchen und ich da so ein bisschen mitfahren kann. Beispiele sind die achtjährige Esmeralda, Queen Frieda und Emelie, die haben schon sehr viel Go und sind sehr motiviert. Alpha hingegen ist nicht so kribbelig, der ist schon so ein richtiger Kumpel und etwas entspannter, aber auch ein ganz tolles Pferd. Ein guter Reiter muss sich auch ein wenig anpassen können, das ist ja nicht die Sache des Pferdes.“
Ihr ehemaliger Erfolgspartner, der heute 15-jährige Cheenook, genießt mittlerweile sein Leben auf der heimischen Koppel.
Johanna: „Der ist immer noch mein Schatz, und er könnte rein körperlich auch noch Turnier gehen. Aber er hat sich jetzt die Weide wirklich verdient. Das ist das Schwerste, den richtigen Zeitpunkt zu erkennen, wann es für ein Pferd genug mit dem Turniersport ist. Rein sportlich wurde er immer vorsichtiger und schlauer mit den Jahren. Als ich aber merkte, jetzt möchte er es besonders gut machen, da habe ich gedacht, jetzt ist es auch gut. Bevor er es so gut machen möchte, dass es nicht mehr geht. Aber natürlich hadere ich mit dieser Entscheidung immer noch.“
Wer sind Deine Vorbilder? Wen bewunderst Du und wem siehst Du gerne beim Reiten zu?
Johanna muss nicht lange überlegen: „Marcus Ehning. Man denkt, er macht nichts auf dem Pferd, weil es einfach so unauffällig und unaufwendig aussieht, und trotzdem laufen die Pferde so in Perfektion bei ihm. Das sieht immer wunderschön aus und es ist unfassbar effektiv. Höchstleistung mit minimalem Aufwand. Das finde ich schon wahnsinnig beeindruckend.
Ähnlich ist es bei Ben Maher. Man denkt, was macht der gerade, dass das Pferd so zufrieden ist. Es sieht nach nichts aus und das ist ja auch irgendwie die Kunst. Reiten ist ja kein Kampf-Sport sondern ein Gefühls-Sport. Auch Steve Guerdat und Marco Kutscher bewundere ich sehr. Die machen nichts und dabei so unglaublich viel. Da habe ich noch einen weiten Weg vor mir.“
Du trainiert seit acht Jahren bei Bernd Schulze Topphoff und bist in dieser Saison auch bei der Young Riders Academy und bekommst Training von Legenden wie Franke Sloothaak und Jeroen Dubbeldam. Was sind Deine Erfahrungen?
Johanna: „Die Young Riders Academy ist eine wahnsinnig große Chance. Da fühle ich mich gerade unglaublich privilegiert. Franke Sloothaaks Dressur-Arbeit ist für mich unglaublich bereichernd. Jeromes Dubbeldams Philosophie finde ich phantastisch. Wie der mit Pferden umgeht, das ist einfach wunderschön. Und wie mir Bernd auf dem Abreiteplatz den Parcours ableiten kann, das ist sehr bereichernd.
Bei der Young Riders Academy geht es aber nicht nur ums Reiten, sondern um das ganze Management rund um die Pferde. Wir bekommen u.a. Unterricht von Psychologen, Physiotherapeuten, Tierärzten sowie Hufschmieden und erfahren auch, wie man die Finanzen im Blick hält.“
Wo siehst Du Dich in 10 Jahren – wo soll Dich der Sport noch hinbringen?
Johanna: „Das wichtigste ist, nach einem stressigen Tag z.B. an der Uni, dass ich danach von den Pferden und aus dem Stall komme und die Welt ist wieder in Ordnung. Das ist das wichtigste für mich. Meine mentale Gesundheit basiert zu 80 Prozent auf den Pferden. Wenn es um den Sport geht, dann hoffe ich, dass ich mich in 10 Jahren schon relativ gut gefestigt habe im Großen Sport. Ein Traum ist es natürlich, Nationenpreise und Championate zu reiten, das rote Jackett zu tragen. Ich bin vielleicht nicht die Reiterin, die jede Woche einen großen Preis gewinnt. Meine Stärke ist eher die Konstanz, dass man sich auf mich verlassen kann und dass ich immer mein Bestes geben werde.“
Der Reitsport steht derzeit massiv in der Kritik – bereitet Dir das Sorgen und macht Dich das auch traurig?
Johanna: „Ich stehe zu 100 Prozent hinter dem Sport und ich glaube auch, das ist das Wichtigste, dass man überzeugt ist von dem, was man tut. Für die Pferde und für den Sport. Wenn man voller Überzeugung sagen kann, dass man alles für die Gesundheit seiner Pferde tut – wenn man sagen kann, dass die Pferde diesen Sport gerne mit einem machen, Spaß im Alltag haben, dass sie gerne auf einem Turnier sind und sich wohl fühlen, dann wüste ich nicht, warum man sich Sorgen um den Sport machen sollte.
Trotzdem müssen wir natürlich den Dialog suchen, aber eben auch respektvoll miteinander umgehen, offen sein für beide Seiten. Ich bin sehr offen für Kritik. Natürlich ist auch bei uns nicht immer alles zu 100 Prozent perfekt, das wäre Quatsch. Wer aufhört besser zu werden, hört auf gut zu sein. Kritik hilft immer, solange sie konstruktiv ist. Bisher war ich nicht betroffen von öffentlichen Vorwürfen – sachliche, konstruktive Kritik höre und schätze ich hingegen sehr. Ich gehe viel in den Dialog, auch mit Menschen, die nichts mit dem Pferdesport zu tun haben. Wir hinterfragen natürlich auch immer, was wir machen. Aber man sollte auch die positiven Seiten des Sports sehen, von denen gibt es viele. Der Sport ist so wertvoll.“
Wie stehst Du zur neuen FEI Blood Rule?
Johanna: „Der Begriff ist schon emotional sehr aufgeladen. Wie soll man da noch eine sachliche Diskussion führen, wenn alle schon so emotional aufgeladen sind. So funktioniert kein sachlicher Austausch. Oft wird oberflächlich mit gefährlichem Halbwissen diskutiert und sehr emotional. Das liegt sicher auch an der Kommunikation, die muss sachlich und fachlich gut sein.“
Welche Ziele hast du für die nächsten Wochen und das Jahr 2026?
Johanna: „Ich darf dieses Jahr in Genf starten, darauf freue ich mich natürlich sehr. Im nächsten Jahr würde ich gerne in Münster und Neumünster starten. Und ich würde mich freuen, wenn ich z.B. in der EEF Serie Fuß fassen könnte und ein paar Nationenpreise reiten dürfte. Im Team zu reiten macht immer noch am meisten Spaß.“
Interview Corinna Philipps und Julie Suhr für spring-reiter.de
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