„Back to nature: Stellt die Pferde auf die Wiese. Macht nicht so viel Tamtam.“ Exklusiv-Interview mit Laura und Enno Klaphake

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„Die letzten drei Jahre haben mich sportlich sehr zurückgeworfen. Wenn man gesund ist, möchte man immer besser werden. Ich möchte gesundheitlich einfach nur dahin kommen, wo ich mal war“, sagt Laura Klaphake im Interview mit spring-reiter.de. Die heute 31-Jährige war ganz oben im Top-Springsport angekommen, glänzte im Sattel von Catch me if you can mit Doppel-Null-Runden und dem Team-Sieg im Nationenpreis in Aachen, gewann Team-Bronze bei der WM in Tryon. Ein Sturz und eine schwere Schulterverletzung mit vielen Komplikationen bremsten die erfolgreiche und beliebte Springreiterin vor drei Jahren unsanft aus. Nach einer weiteren OP im Oktober 2024 und einer erneuten Reitpause startet sie seit Anfang April wieder auf Turnieren. Mit ihrem Bruder Enno hat sie sich selbstständig gemacht. spring-reiter.de hat mit Laura und Enno über ihre Ausbildungsphilosophie bei jungen Pferden gesprochen, sie haben uns erklärt, warum ihnen die klassische Reitausbildung so wichtig ist und warum man bei Pferden „back to nature“ gehen und es simpel halten sollte. Und es kam heraus, wer von beiden ab und an mal etwas „bossy“ sein kann. 

Laura und Enno – Ihr habt Euch mit Klaphake Horses selbstständig gemacht. Welches Geschäftsmodell verfolgt ihr?

Laura: „Ja, wir haben uns auf dem Hof von Annkathrin und Karl Brocks in Wallenhorst bei Osnabrück mit aktuell 16 Boxen selbstständig gemacht. Es herrscht eine familiäre Atmosphäre und wir fühlen uns sehr wohl dort. Vorher arbeiteten wir mit Schockemöhle zusammen und das war auch alles gut, das war unser Zuhause, da sind wir aufgewachsen. Es war eine echt tolle Zeit, aber irgendwann haben wir dann für uns gesagt, wir wollen für uns etwas Eigenes auf die Beine stellen, sodass man ganz ungebunden ist und alles machen kann. Enno und ich haben bei der Familie Brocks jeder unseren eigenen kleinen Stall, das gefällt uns super und wir fühlen uns richtig wohl. Ich wohne weiterhin in Mühlen, und Enno und ich fahren beide circa 30 Minuten zum Stall, das geht ganz gut. 

Unsere Mama Gaby hilft uns gelegentlich bei der Ausbildung der Pferde, Papa Joseph ist für die Pferdevermarktung bei Paul Schockemöhle tätig und unterstützt uns gelegentlich auf den Turnieren. Wir arbeiten ebenfalls eng mit unserem Bruder Felix zusammen, der als Teilhaber des German Horse Centers aktiv ist. Auch wenn es unterschiedliche Firmen sind, ergänzen wir uns perfekt und die Zusammenarbeit macht viel Spaß. Es ist etwas ganz Besonderes, als Familie in der gleichen Branche zu arbeiten und uns gegenseitig zu unterstützen. 

Unser Ziel ist es, gezielt nach jungen Pferden zu suchen, um diese dann auszubilden und später den passenden Kunden für jedes Pferd zu finden.“

Wo und wie sucht ihr nach jungen Pferden und was ist Eure Ausbildungsphilosophie? 

Laura: „Wir nutzen natürlich unser Netzwerk, das wir uns über viele Jahre aufgebaut haben. Wir kaufen auch mal ganz junge Pferde vom Züchter. Unsere Eltern haben immer sehr viel Wert auf die klassische Reitausbildung gelegt und haben von Anfang an zu uns gesagt, dass wir in der Lage sein müssen, ein Pferd selbst auszubilden, weil wir nie ein fertiges Grand Prix Pferd bekommen haben. Auch bei Schockemöhle haben wir immer gute Pferde bekommen, aber es waren immer junge Pferde. Das ist natürlich schon etwas anderes. In unserem Sport gibt es Leute, bei denen Geld keine Rolle spielt – sie bekommen die Pferde, die bereits für GPs fertig sind. Unser Ziel ist es aber, bessere junge Pferde zu finden – was natürlich alle möchten – , aber vor allem Pferde, an die wir glauben. Wir wollen es nicht über die Masse machen, wir wollen uns Zeit für jedes einzelne Pferd nehmen.“ 

Was ist Euch beim Pferdeverkauf wichtig?

Laura: „Wenn ein Kunde kommt und ein Pferd ausprobiert, dann pushen wir das meist nicht so, dass er unbedingt dieses Pferd kaufen muss. Am Ende sehen wir ja, ob es Potential hat, ob Reiter und Pferd harmonieren. Wir möchten ein gutes Match finden, weil das letztendlich für den Reiter und das Pferd wichtig ist.  Wir freuen uns, wenn wir das Pferd bis zu einem bestimmten Punkt begleiten können, aber wir freuen uns auch, wenn die Pferde das erreichte Niveau halten können oder es verbessern können. Das ist unser Ziel.“

Enno: „Wir möchten nicht, dass sich der Kunde auf ein Pferd setzt, es in dem Moment funktioniert, es aber dann beispielsweise nach zwei Monate nicht mehr harmoniert.“

Wenn die eigenen Pferde immer besser werden, möchte man mit ihnen vielleicht auch selber erfolgreich im großen Sport starten, oder?“

Enno: „Ja, na klar. Aber es war ja schon bei Paul so, dass die Pferde verkauft wurden, wenn sie besser wurden – dann ist es ja auch im Interesse des Händlers, sie zu verkaufen. Wenn die Pferde sich gut entwickeln, dann gibt es bestimmte Summen, bei denen man dann realistisch sein muss, wenn man nicht gerade einen Sponsor hat. Wir verdienen damit unser Geld, also müssen wir auch irgendwann verkaufen. Auch wenn wir letztendlich alle Pferde am liebsten bis zum Ende behalten möchten.“

Laura: „Also wir würden jetzt nicht alle 7- oder 8-jährig verkaufen. Wir arbeiten beispielsweise mit VDL Stud zusammen. Das ist eine tolle Kooperation, die viel Spaß macht. Wir versuchen, immer realistisch zu sein. Es ist nicht so, dass der Erstbeste kommt und ein Pferd probiert.  Insgesamt haben wir einen guten Mix. Wir haben ein paar Pferde, die uns selbst gehören, dann haben wir ein paar Kooperationen und ein paar Beritt-Pferde.“

Ihr habt erzählt, dass Eure Eltern so viel Wert auf eine gute, klassische Reitausbildung gelegt haben. Welcher Aspekt ist Euch besonders wichtig? 

Laura: „Das Pferdewohl steht immer an erster Stelle. Wenn wir jetzt ein drei-, vier- oder fünfjähriges Pferd haben, dann wird es nicht jeden Tag geritten, damit es in zwei Monaten fertig ist für irgendwas, sondern da planen wir schon langfristiger. Die Pferde kommen auch jeden Tag auf die Wiese oder auf ein Paddock, die sind viel draußen, da legen wir sehr viel Wert drauf.  Derzeit haben wir beispielsweise zwei Vierjährige im Stall: die haben alles sehr gut gemacht, also gehen sie jetzt bis zum Herbst nochmal in einer großen Herde auf die Weide. Wir setzen auf Geduld und Zeit bei der Ausbildung.“

Enno: „Ich finde es auch total wichtig, dass man selbst viel Zeit mit dem Pferd verbringt. Ich glaube, wenn man das einmal gemacht hat und das so drin ist, dann spielt sich das ein. Eigentlich muss man das alles einmal machen, Boxen misten, Pferde selber fertigmachen, dass man ein Gefühl für die Pferde bekommt. Unser Sport ist kein Beruf, sondern eine Lebenseinstellung. Man geht nicht morgens ins Büro und ist irgendwann nachmittags fertig, sondern es geht immer weiter und man muss ein Gefühl und Gespür für jedes einzelne Pferd entwickeln.“

Wie gut ergänzt Ihr Euch bei der Pferde-Ausbildung? 

Laura: „Wir tauschen uns total gut aus. Was bei uns ganz schön ist, Enno ist ja sechs Jahre jünger als ich, wir sind vom Körperbau sehr unterschiedlich und wir haben schon auch verschiedene Reitweisen. Letztens hatte ich ein Pferd, und da meinte ich irgendwann, „ich glaube, dass der viel besser zu dir passt. Mit mir geht das wohl, aber ich habe das Gefühl, mit dir kann das noch besser gehen.“ Dann hat Enno es probiert und es ging tatsächlich besser, und andersrum habe ich auch mal ein Pferd von ihm bekommen. So ist der Sport nun mal. Nicht jeder Reiter passt zu jedem Pferd, und wir wollen Pferde auch nicht total umstellen. Wir wollen das Positive aus jedem Pferd rausholen und versuchen, das zu verbessern. Die Pferde haben genauso wie wir Menschen Stärken und Schwächen –  man kann Menschen nicht verändern und so ist es auch beim Pferd. Da ergänzen wir uns echt gut, das macht Spaß.“ 

Lässt Deine Schwester Laura auch mal den Chef raushängen? Ist sie manchmal etwas bossy?

Beide lachen, Enno gibt zu: „Kann sie schon mal sein. Ja. Aber das harmoniert eigentlich schon ganz gut.“

Laura: „Ich sag dann manchmal zu Enno, ich bin sechs Jahre älter und ich möchte einfach nicht, dass du die gleichen Fehler, die ich schon gemacht habe, auch noch mal machst. Aber ansonsten läuft es richtig gut so.“

Laura, Du bist Nationenpreise geritten, hast ganz vorne in der Weltspitze mitgemischt, warst in den Medien sehr präsent und everybodys darling. Fehlt Dir diese Zeit der großen internationalen Erfolge?

Laura: „Das war eine ganz besondere Zeit, die ich in meinem Leben nie wieder vergessen werde. Da war ich so 23, 24 Jahre alt und irgendwie bin ich damals da so reingerutscht. Es lief ganz gut, dann dachte man, ok bis zum nächsten Turnier, dann lief es wieder gut. Und so weiter. Das war damals alles so ganz ohne Erwartungen. Mit Catch me und mir, das war schon toll, aber das ist genau das, worauf wir jetzt auch Wert legen, dieses Ausbilden von jungen Pferden. Ich behaupte, dass ich mit Catch me, mit Silverstone und Cinsey auch so gut war, weil ich die alle jung bekommen habe, und irgendwie glaube ich, dass man so anders zusammenwächst – die Bindung zum Pferd ist eine ganz andere. Auch auf einer emotionalen Ebene. Klar war das eine tolle Zeit und unvergessliche Zeit und ich hoffe auch, dass ich da mal wieder hinkomme. Aber es kommt nicht von heute auf morgen. 

Die letzten drei Jahre waren ziemlich schwer für mich mit meiner Schulterverletzung. Ich hatte mir die Schulter ja vor drei Jahren so schlimm gebrochen, wurde dann mehrfach operiert. Die Verletzung war sehr schwer. Und es hat auch einen schlimmen Verlauf genommen, es gab viele Komplikationen. Ich hatte eine bakterielle Infektion. Ich habe eine allergische Reaktion auf die Schrauben entwickelt. Ich wurde im letzten Oktober wieder operiert, und die Ärzte haben mir prognostiziert, dass ich eigentlich überlegen sollte, nicht mehr aufs Pferd zu steigen. Es wurde mir damals sogar Knochenmark aus dem Becken genommen, Knochen, Sehnen, es war alles kaputt. Es war schon eine harte Zeit, vor allem, wenn man immer Schmerzen hat. Aber gerade aus solchen Lebensphasen lernt man viel. Man wird stärker und weiß vieles im Leben mehr zu schätzen – so erging es mir zumindest. Ich bin jetzt erst wieder etwas länger als sechs Wochen am Reiten. Fünf, sechs Monate bin ich gar nicht geritten. 

Durch die letzten drei Jahre habe ich jetzt erst mal andere Ziele. Dass ich zurückkomme zu meiner Leidenschaft. Das hat oberste Priorität. Ich behaupte, wenn man etwas liebt, und dann auch noch gut ist, dann kommt man hoffentlich auch noch mal wieder dahin. Aber man kann es natürlich nicht erzwingen. Ich bin jetzt erst mal froh, dass ich wieder reiten kann. Das macht mich total glücklich. Jetzt gucke ich einfach, was kommt. So haben mich die letzten drei Jahre sportlich sehr zurückgeworfen, dennoch aber sehr geprägt. Wenn man gesund ist, möchte man immer besser werden. Ich möchte gesundheitlich einfach nur dahin kommen, wo ich mal war.“ 

Noch immer ist sie nicht ganz „schmerzfrei“. Mit regelmäßiger Physio kämpft sie sich dank „toller Betreuung“ von Ärzten und Physiotherapeuten zurück in den Sport.

Laura bringt ihre Gefühlslage auf den Punkt: „Nicht mehr reiten, ist keine Option. Dann geht meine Seele kaputt.“ 

Wer ist der Ehrgeizigere von Euch beiden?

Laura: „Ich glaube wir sind beide ziemlich ehrgeizig.“

Enno lacht: „Deshalb ecken wir auch manchmal an.“

Wer reitet schneller im Stechen?

Enno grinst: „Mutiger bin ich vielleicht, aber das klappt dann auch nicht immer.“

Laura, bist Du beim Reiten vorsichtiger geworden nach der schweren Schulterverletzung? 

Laura: „Ich habe keine Angst beim Reiten. Gar nicht. Nur wenn Pferde so richtig wild bocken, da habe ich Schiss. Das war so die Situation, wo ich runtergefallen bin. Da war Quin noch Hengst, der war total wild und ist mit mir im vollen Hahn losgaloppiert. Ich war gerade am Nachgurten, da schoss er los und bockte. Leider war der Sattel nicht nachgegurtet, wurde immer lockerer und rutschte im vollen Tempo zur Seite. In der zweiten Kurve konnte ich mich nicht mehr halten, der Sattel war schon so weit an der Seite, dann flog ich runter und die Schulter war ausgekugelt. Dann ging das Drama los. Eigentlich dumm gelaufen, aber es war auch ein wenig meine eigene Schuld.“

Wie seht Ihr zur Kritik am Reitsport?

Laura: „Ich finde, man muss sich immer wieder vor Augen führen, dass das Pferdewohl im Vordergrund steht. Wir haben Sportpartner und dürfen die nicht, wenn es mal nicht klappt, irgendwie herumreißen. Wobei ich schon glaube, dass wir auf einem guten Weg sind. Die Sensibilität ist auf jeden Fall größer geworden. Unsere Eltern haben uns schon immer mit auf den Weg gegeben: Back to nature. Stellt die Pferde auf die Wiese. Macht nicht so viel Tamtam. Wir versuchen, alles möglichst simpel zu halten.“

Enno: „Ich glaube schon, dass die meisten Reiter sich der Situation bewusst und sensibel sind.  Die meisten Reiter behandeln ihre Pferde auch gut. Natürlich gibt es immer mal Ausnahmen, wie überall. Dafür gibt es heute auf Turnieren oft Stewards, die Aufklärung leisten, es wird mehr kontrolliert und das ist auch gut.“

Laura: „Ich bin wirklich der Meinung, dass die Pferde Spaß an dem Sport haben. Ich hatte ein Pferd, Bantou Balou, der war eine Zeit lang verletzt. Immer wenn er gemerkt hat, dass die anderen Pferde aufs Turnier fahren, hat er schon gewiehert. Dann wurde er wieder antrainiert, konnte aber noch nicht aufs Turnier. Jedes Mal, wenn ich den Zügel lang ließ und die LKW-Klappe war unten, wollte er auf diesen LKW und wieder mit zum Turnier. Der Quin zum Beispiel, der ist jetzt Wallach und auch mal ein bisschen fauler. Aber wenn der am Einritt steht und weiß, es geht los, dann gehen die Ohren nach vorne, dann geht er in den Parcours und fängt an zu rennen, und du merkst, der will. Viele Pferde haben wirklich Spaß an dem Sport.“

Enno: „Pferde verbinden uns alle ja auch. Es gibt ja nicht nur den Sport, die Pferde helfen ja auch z.B. als Therapie-Pferde. Pferde leisten einen großen Beitrag für die Gesellschaft, Pferde bringen Menschen zusammen.“

Liebe Laura, lieber Enno – vielen Dank für das tolle Gespräch und viel Erfolg mit Klaphake Horses!