André Thieme hat in Hohen Wieschendorf ein Heimspiel: Der Lokalmatador aus Plau am See ist mit vier Pferden zu der DKB Pferdewoche Hohen Wieschendorf angereist. Mit neuen Pferden. Mit Pferden, die ihn überraschen. Und mit einem energiegeladenen Paule S (v. Perigueux). Der Europameister von 2021 betrachtet das Vier-Sterne-Turnier an der Ostsee in diesem Jahr aus einem ganz eigenen Blickwinkel.
Für ihn ist das CSI4* Event in diesem Jahr zum „Ausprobieren“ da. „Ich bin Anfang des Jahres mit sieben Pferden nach Amerika gefahren und mit nur einem zurückgekommen. Der Pferde-Handel lief gut in Amerika. Aber für die großen Springen habe ich derzeit nur noch Paule“, fasst André Thieme seine aktuelle Lage zusammen.
Seine Europameisterin und Aachen-Siegerin 2024, DSP Chakaria (v. Chap), wird nach einer Sehnenverletzung nach dem Nationenpreis-Finalsieg in Barcelona 2024 gerade wieder behutsam antrainiert. „,Ich muss ein paar neue Pferde aufbauen. Chakaria ist nach ihrer Verletzung wieder in der Antrainierphase, das sieht alles gut aus, aber ich muss jetzt Ruhe bewahren. Deshalb nutze ich die Zeit, die anderen Pferde besser kennenzulernen. Dafür ist dieses Turnier ein Geschenk des Himmels. Es gibt hier so viele verschiedene Touren und Springen mit so verschiedenen Höhen – man kann hier reiten, reiten, reiten und die Pferde lernen hier unwahrscheinlich viel“, bringt Thieme die Vorzüge der DKB Pferdwoche auf den Punkt.
Eine Nachwuchshoffnung hat er gerade in den Stall bekommen: Last Gentleman, einen zehnjährigen Hengst (v. Latour VDM). „Last Gentleman ist erst vor zwei Wochen zu mir in den Stall gekommen. Ich habe ihn hierhin mitgenommen, um ihn mal auszuprobieren. Bis jetzt tut er alles dafür, um mir zu sagen, dass er von mir weitergeritten werden möchte“, schmunzelt André Thieme.
„Last Gentleman ist ein sehr ruhiger Vertreter, ich würde mir fast wünschen, dass er noch etwas mehr Geist und Energie zeigt. Er ist scheinbar so wie ich – sehr ruhig“, lacht der Nationenpreisreiter. „Aber er hat einen super Charakter, will nichts verkehrt machen und ist bisher jede Runde null gesprungen. Das ist für ihn hier schon etwas wie der Sprung ins kalte Wasser – nach so kurzer Zeit bei mir, auf so einem Turnier und dann gleich 1,40-Meter-Springen. Ich kann noch nicht sagen, ob er mal ein Fünf-Sterne-Pferd wird, aber ich bin sehr angetan“, gibt Thieme zu.
Er hat auch noch den siebenjährigen Million Amour (v. Million Dollar) und den achtjährigen MF Come Home (v. HH Messenger) für die Youngster-Tour dabei. „Wir haben Million Amour eigentlich zum Wiederverkauf gekauft. Er ist sehr rittig und ruhig. Aber unsere Bereiterin, die ihn bisher geritten hat, ist schwanger geworden. Jetzt reite ich praktisch alle Pferde selbst und merke, dass es sich definitiv lohnt, Million Amour noch etwas länger zu behalten. Er geht jede Runde null, hat einen tollen Charakter und hat mir in Sachen Vermögen noch nicht das Gefühl gegeben, dass da großartige Grenzen sind. Er überrascht mich von Runde zu Runde. Den achtjährige Come Home haben wir zwar schon seit zwei, drei Jahren, den hat bisher erfolgreich auch die Bereiterin geritten, aber so richtig für voll genommen hatte ich ihn noch nicht. Er ist sehr energiereich und etwas guckig, aber ich merke jetzt, dass er ein sehr viel besseres Pferd ist als ich dachte. Auch ihn habe ich hier ziemlich ins kalte Wasser geschmissen. Es ist fast das erste Turnier, das ich mit ihm reite, und dann kommen der Wind und das Ambiente dazu. Und auch mit ihm habe ich gleich mit 1,40-Meter-Parcours hier angefangen, bisher kannte er nur die Youngster-Tour. Aber: Er macht’s – und zwar gut!“, freut sich André Thieme.
Auch Paule S ist in Hohen Wieschendorf nach einer verdienten Pause am Start: „Paule hat im Februar-März tolle Sachen in Florida gemacht. Er hat Chakaria viel besser ersetzt, als ich mir hätte vorstellen können. Danach hatte er viele Wochen Pause und Hohen Wieschendorf ist sein erstes Turnier wieder. So wie ich Paule kenne, wird er nach der Pause und bei dem Wind hier zu energiegeladen sein, deshalb liebäugele ich nicht mit dem Großen Preis, eher am Samstag mit dem Championat. Und dann möchte ich ganz gerne, weil er es eigentlich letztes Jahr schon ziemlich gut gemacht hat, doch noch mal nächste Woche das Derby in Hamburg mit ihm probieren“, verrät Thieme. Am Sonntag steht ein letztes Derby-Training auf dem Moorhof vor den Toren Hamburgs an.
Auch die Titelverteidigung beim CHIO Aachen steht fest im Turnier-Kalender des Rolex Grand Prix Siegers von 2024, wenn auch in diesem Jahr wohl nicht mit Chakaria. Solche Championatspferde fallen auch für die Spitzenreiter nicht vom Himmel. „Es ist nicht so, dass nach einem CHIO Aachen Sieg die Pferdebesitzer und Züchter Schlange bei uns Spitzenreitern stehen. Darüber habe ich mich auch schon mit Christian Ahlmann unterhalten. Leider ist das nicht so. Die guten Pferde werden heute immer früher verkauft. Wenn die jungen Pferde ein paar Mal über 1,40 oder 1,45m mit einem Bereiter auf einem ländlichen Turnier gegangen sind, dann werden die schon zu Höchstpreisen ins Ausland verkauft. Da haben wir gar keine Chance mehr, an gute Pferde zu kommen. Wir müssen die guten Pferde heute sehr jung finden, ihr Talent früh erkennen und dann auch sofort zuschlagen. Sonst sind sie weg. Das war früher nicht so“, fasst es Thieme zusammen.
Aber er lobt die DKB Pferdwoche von Enno Glantz: „Wir haben, nachdem Holger Wulschner sein Turnier nicht mehr macht und auch Redefin ausgefallen ist, hier nicht mehr so viel an internationalen Turnieren zu bieten. Nicht nur deshalb sind wir natürlich alle wahnsinnig glücklich, dass Enno das hier so durchzieht – aber dann auch noch so extrem gut – das ist gigantisch. Dieses Turnier ist einfach nur toll. Wir wissen es sehr zu schätzen, dass Enno mit so viel Engagement dahintersteht.“