„Pferdesport ist weiter attraktiv – und wir wollen wachsen“
Dr. Dennis Peiler, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Reiterlichen Vereinigung. Foto: M. Kaup

„Pferdesport ist weiter attraktiv – und wir wollen wachsen“

Es lernen wieder mehr Kinder reiten – im Reitverein. Und doch stehen Vereine vor Herausforderungen. Während viele Sportarten vom bundesweiten Trend zur Vereinsmitgliedschaft profitieren, zeigt sich die Entwicklung im Pferdesport differenzierter. Ein Interview mit Dr. Dennis Peiler, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN), über aktuelle Zahlen, Hintergründe und Perspektiven für die Zukunft.

Wie entwickeln sich die Mitgliederzahlen im Pferdesport?

Dr. Dennis Peiler: Unsere Mitgliederzahlen sind insgesamt stabil, mit einem leichten Rückgang auf rund 658.000 Mitgliedschaften. Wichtig ist dabei: Wir bleiben unverändert unter den Top Ten der größten Sportverbände im DOSB, wie im Vorjahr auf Platz neun. Das zeigt, dass der Pferdesport weiterhin attraktiv ist. Kleine Schwankungen entstehen auch durch Meldeverhalten und regionale Unterschiede – man darf hier nicht jede Zahl überbewerten. Was uns freut: Wir haben ein Plus bei den Kindern und Jugendlichen unter 14 Jahren, allerdings nur bei den Mädchen. Insgesamt ist die Nachfrage nach organisierten Sportangeboten in Deutschland im vergangenen Jahr gewachsen. Der DOSB verzeichnet mit mehr als 29 Millionen Menschen einen Mitgliederrekord. Da hinterfragen wir uns auch, warum der Trend bei uns nicht genauso ankommt.

Wie erklären Sie sich diese Entwicklung?

Es gibt mehrere Aspekte: Die Freizeitgewohnheiten haben sich insgesamt verändert. Flexible Angebote sind attraktiver denn je. Wer sich für den Pferdesport entscheidet, gar ein eigenes Pferd hat, übernimmt Verantwortung für ein anderes Lebewesen. Ein Pferd braucht Bewegung, Futter, Sozialkontakte zu Artgenossen und vieles mehr. Das ist eine große Verpflichtung, die manche heute nicht mehr eingehen wollen. Zum anderen spüren die Vereine und ihre Mitglieder die steigenden Kosten für Haltung, Futter, Pflege und tierärztliche Behandlungen. Das belastet viele und macht nicht nur den Einstieg in den Pferdesport für manche schwieriger. Auch deshalb setzen wir uns für eine umfassende Evaluierung der GOT ein und hinterfragen die Verbindlichkeit der GOT. Unser Ziel dabei ist eine echte Erleichterung für alle Pferdehalter, Pferdezüchter und Pferdesportler.

Zugleich ist es so, dass die Begeisterung für das Pferd weiterhin ungebrochen ist. In Deutschland gibt es mehr als elf Millionen Menschen, die sich für den Pferdesport interessieren. Doch nicht allen ist es möglich, in ihrer Freizeit Pferdesport zu betreiben – aus unterschiedlichsten Gründen.

Sehen Sie regionale Unterschiede in der Mitgliederentwicklung?

Einige Regionen bleiben nahezu stabil, manche haben ein leichtes Wachstum, andere verzeichnen Rückgänge. Das hängt stark von lokaler Infrastruktur, Vereinsangeboten und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ab. Auch das Geschlecht spielt eine Rolle: Der Mitgliederrückgang – wir sprechen bundesweit von knapp 4.900 Menschen – betrifft in großen Teilen Männer, während Mädchen und Frauen weiterhin stark vertreten sind. Das zeigt uns, dass wir noch mehr gezielte Angebote schaffen müssen, die Jungen genauso begeistern. Wenn ein Verein 30 Mädchen auf der Warteliste hat, wird er natürlich gezielt auf diese Zielgruppe eingehen. Jungen zu gewinnen und zu begeistern ist das eine, sie im Laufe der Schulzeit zu halten. Das ist die Herausforderung.

Was macht den organisierten Pferdesport attraktiv – gerade in Zeiten steigender Kosten und anderer Freizeitangebote?

Die Vereine bieten viel mehr als Wettkampfsport: Zusammenhalt, Ehrenamt, Versicherungsschutz, kostengünstige Angebote durch öffentliche Unterstützung und die Möglichkeit, Teil einer großen Gemeinschaft zu sein. Zudem stehen die Vereine für die Interessen von Pferdesportlerinnen und Pferdesportlern ein. Als Dachverband setzt sich die FN aktiv für den Erhalt des Kulturguts Pferd, das Wohl des Pferdes, das Ausreiten in der Natur, Gesetzgebungen und das Ehrenamt ein. Das alles zusammen macht den organisierten Sport attraktiv, und diese Werte kann man nicht allein in Zahlen messen. Auf der anderen Seite haben wir im Vergleich zu vielen anderen Sportarten eine Besonderheit: Um zu reiten, braucht man keine Mitgliedschaft in einem Verein. Eine Vielzahl an Pferdebetrieben macht das ebenfalls sehr kompetent.

Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um Vereine zu unterstützen und die Mitgliederbasis zu sichern?

Gemeinsam mit unseren Landesverbänden setzen wir auf gute Beratung, Ausbildung und Förderangebote. Bei den Landesportbünden und den Landesverbänden gibt es sehr gute Beratungsangebote, wie unser Sport noch attraktiver werden kann. Zugleich wird die Qualifizierung von Trainerinnen, Trainern und Ehrenamtlichen gefördert – ohne engagierte Menschen vor Ort funktionieren Vereine nicht. Es gilt zielgruppenspezifische Veranstaltungen und Angebote zu schaffen, um unterschiedliche Altersgruppen und Interessen gezielt anzusprechen. Kooperationen mit Kitas und Schulen können für Vereine ein Schlüssel sein, um Kinder früh für den Pferdesport zu begeistern und langfristig zu binden.

Zudem haben wir mit „100 Schulpferde plus“ eine deutschlandweite Initiative gestartet. Ziel ist es, den Kauf von mindestens 100 neuen Schulpferden zu fördern und zusätzlich über 1.000 weitere Unterstützungsleistungen bereitzustellen – von Futter und Ausrüstung über Betriebsberatung bis hin zu Trainer-Ausbildungen. Damit wollen wir die Basis des Pferdesports stärken und sicherstellen, dass Reitschulen auch künftig attraktive Angebote für Einsteiger machen können.

Wir wissen, dass wir sehr gute Vereine haben, die Menschen anziehen. Es kommt auf die Menschen vor Ort an. Auch bei der Bildungskonferenz ging es in diesem Jahr um die gute Nachwuchsarbeit, um nur ein Beispiel zu nennen.

Wie sehen Sie die Zukunft des organisierten Pferdesports?

Die Vereine bleiben das Rückgrat unseres Sports. Wer bereit ist, moderne Angebote zu entwickeln, wird auch in Zukunft erfolgreich sein. Pferdesport ist attraktiv – und wir wollen wachsen, zukunftsorientiert und innovativ bleiben. Unsere Aufgabe als Dachverband ist es, unsere Landesverbände mit ihren Vereinen dabei zu unterstützen, ihre Angebote weiterzuentwickeln und ihre gesellschaftliche Bedeutung zu sichern. Vereine ermöglichen einen vergleichsweisen leichten Zugang zum Pferd. Sie sind die Basis unseres Sports. Sie führen Kinder niederschwellig an das Pferd heran und vermitteln die Liebe zum Pferd. fn-press/sag