„Das ist der Job, den ich will.“ Interview mit der Pflegerin von Daniel Deussers Pferden – Marine Renaudet
Betreut die Pferde von Daniel Deusser: Marine Renaudet. Foto: Rolex Grand Slam

„Das ist der Job, den ich will.“ Interview mit der Pflegerin von Daniel Deussers Pferden – Marine Renaudet

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Könnten Sie sich bitte kurz vorstellen und uns Ihre Arbeit erläutern? Wie sind Sie zu dieser Branche gekommen?

Ich heiße Marine und komme ursprünglich aus dem Südwesten Frankreichs. Pferde haben schon immer zu meinem Leben gehört – ich bin mit ihnen aufgewachsen. Schon von klein auf bin ich an einer Reitschule vor Ort geritten und habe sogar schon ein wenig mit Jungpferden gearbeitet.  Ich habe früh gemerkt, wie viel Spaß es mir macht, mich um Pferde zu kümmern, und da war es die logische Konsequenz, Pflegerin zu werden.

Meine Mutter wollte unbedingt, dass ich einen Abschluss mache, also habe ich ein Jahr lang Kunstgeschichte studiert. Das war zwar interessant, aber nicht das Richtige für mich. Ich habe die Pferde zu sehr vermisst.  Also entschied ich mich für ein praktischeres Studium und einen Abschluss in Agrarwissenschaften. Das war ein zweijähriger Studiengang und es gab einen Stall vor Ort. Wie nicht anders zu erwarten, habe ich dort mehr Zeit als über meinen Büchern verbracht! Ich habe aber trotzdem den Abschluss gemacht.

Danach habe ich Initiativbewerbungen an mehrere große Ställe geschrieben. Darin habe ich erklärt, dass ich mit Pferden aufgewachsen bin, Englisch spreche, Turniererfahrung habe und sehr lernbegierig bin. Ich hatte Glück und habe einige Antworten bekommen, darunter eine von den Stephex Stables. Ich wurde zu Bewerbungsgesprächen bei einem Reiter in Tschechien und in Mexiko eingeladen, aber meine Mutter fand Belgien vernünftiger.

Als ich im Juli 2018 meine Probezeit in den Stephex Stables antrat, sollte ich dort ursprünglich für einen französischen Reiter arbeiten. Er war aber dabei, seinen eigenen Stall zu eröffnen, und Daniel Deußers Pfleger hörte zu der Zeit gerade auf. Also boten sie mir an, vorübergehend mit einem Reiter aus Belgien zu arbeiten und dann in Daniels Team zu wechseln. Es hat sich alles durch einen Zufall und perfektes Timing ergeben. Im August 2018 habe ich dann offiziell angefangen, für Daniel zu arbeiten, und bin seitdem bei ihm.

Sie haben eng mit einigen der besten Pferde der Welt gearbeitet. Wie bauen Sie eine Verbindung zu den einzelnen Pferden in Daniels Kontingent auf?

Wir haben das Glück, dass unsere Pferde lange Zeit bei uns bleiben. So haben wir die Chance, sie wirklich kennenzulernen. Bei meiner Ankunft hatte Daniel sowohl noch Cornet 39 als auch Cornet d’Amour – zwei legendäre Pferde. Ich weiß noch, wie ich Cornet d’Amour 2014 in Lyon gesehen habe und dachte: „Das ist der Job, den ich will.“ Und dann wirklich täglich mit ihm zu arbeiten, kam mir anfangs so surreal vor.

Jedes Pferd hat seine eigene Persönlichkeit. Manche sind zurückhaltend, manche frech, manche verspielt und manche eher zurückhaltend. Es ist wie bei Menschen auch, aufgrund der Persönlichkeit hat man zu manchen Pferden einfach eine engere Bindung. Bingo Ste Hermelle ist zum Beispiel ein sehr liebenswerter Hengst, der einerseits sehr lieb, andererseits aber auch frech und verspielt ist. Otello de Guldenboom ist zurückhaltender und sensibler, und Scuderia 1918 Tobago Z ist ihm sehr ähnlich – sanft und einfühlsam. Und dann haben wir einige sehr eigenwillige Stuten, wie Killer Queen VDM. Killer Queen VDM weiß genau, was sie will, und macht das auch sehr deutlich! Wir haben immer Witze darüber gemacht, dass sie mehr an Sean [Lynch] hing als an mir. Bei ihm hat sie nämlich immer gewiehert!

Sie haben alle ihre Eigenarten und genau das macht diese Arbeit so besonders. Man verbringt so viel Zeit mit ihnen, und sie sind allesamt ganz individuelle Persönlichkeiten. Die Verbindung, die man mit ihnen eingeht, wächst Tag für Tag.

Wie sieht ein typischer Tag für Sie zu Hause im Vergleich zu einem wichtigen Turnier wie dem CHIO Aachen aus?

Ich versuche immer dafür zu sorgen, dass alles möglichst gleichbleibt, auch auf Turnieren. Pferde sind Gewohnheitstiere und plötzliche Veränderungen können sie unnötig unter Stress setzen. Ich halte nichts davon, die Dinge zu verkomplizieren. Wenn sie zu Hause eine bestimmte Routine gewohnt sind, versuche ich, die auch bei Turnieren beizubehalten – sie an der Hand grasen zu lassen, sie ruhig zu halten und ihnen einfach Zeit zum Entspannen zu geben.

Bei Turnieren hat man oft mehr Zeit für einzelne Pferde, und das ist wirklich schön. Es ist weniger hektisch als zu Hause, sodass wir viel mehr auf ihre Pflege, ihre Stimmung und ihr Wohlbefinden eingehen können.

Sie reisen zu sehr vielen internationalen Turnieren. Wie sorgen Sie dafür, dass die Pferde es auf den langen Reisen bequem und keinen Stress haben?

Das Reisen ist ein großer Bestandteil unseres Lebens, und die meisten unserer Pferde sind inzwischen daran gewöhnt. Wir versuchen dafür zu sorgen, dass alles so vertraut und bequem wie nur möglich für sie ist. Wenn ein Pferd einen bestimmten Freund hat, mit dem es gern reist, stellen wir sie nebeneinander in den Transporter. Wenn zwei sich nicht gut verstehen, trennen wir sie. Es geht im Grunde darum, kluge Entscheidungen zu treffen und Stress zu vermeiden.

Wenn wir fliegen, ist alles hervorragend organisiert und sehr bequem. Und wenn wir bei den Veranstaltungen eintreffen, sind die Ställe immer erstklassig. Ruhig, geräumig und gut ausgestattet. Das macht einen gewaltigen Unterschied. Gute Anlagen helfen den Pferden sehr, sich einzugewöhnen und entspannt zu bleiben.

Der CHIO Aachen wird oft als das Wimbledon des Springreitens bezeichnet. Was macht die Veranstaltung aus Sicht einer Pflegerin so besonders?

Ich war vergangenes Jahr zum ersten Mal in Aachen und habe, ehrlich gesagt, Gänsehaut bekommen. Die Zuschauer, die Atmosphäre, die Geschichte – das alles ist so überwältigend. Wenn man für einen deutschen Reiter wie Daniel arbeitet, ist die Unterstützung durch das Heimpublikum einfach unglaublich. Das verleiht einem noch mehr Energie und weckt so große Emotionen.

Die Größenordnung und die Atmosphäre haben mich umgehauen. Ich weiß noch, wie ich von zu Hause aus zugesehen habe, als Killer Queen VDM gewonnen hat. Ich habe vor Freude geschrien. Und dann selbst dort zu sein, war wie ein Traum. Es ist emotional, es ist elektrisierend – man spürt die Spannung und Aufregung jedes einzelnen, der dort ist. Es ist ein wirklich unvergessliches Erlebnis.

Was unterscheidet die Majors des Rolex Grand Slam of Show Jumping von anderen Turnieren in diesem Sport?

Die Atmosphäre, die Organisation, die Qualität. Diese Turniere stehen einfach eine Stufe über allen anderen. Ob nun ein Hallenturnier wie das The Dutch Masters oder ein Freiluftturnier wie Calgary oder Aachen – jeder Veranstaltungsort ist spektakulär.

Ich teile mir die Arbeit bei den Turnieren mit Isabella und hatte das Glück, bei einigen von Daniels großen Erfolgen dabei zu sein, wie seinem Sieg im Rolex Grand Prix bei den The Dutch Masters 2022 auf Scuderia 1918 Tobago. Ich weiß noch, wie nervös ich war, aber die Atmosphäre dort war einfach unglaublich. Calgary letztes Jahr war auch unvergesslich. Das Team hat den BMO Nations’ Cup gewonnen und alle Pferde sind fantastisch gesprungen. Die Majors haben etwas Magisches an sich.

Sie arbeiten in den Stephex Stables mit einem großen Team zusammen. Wie helfen Sie sich gegenseitig, sich weiterzuentwickeln und immer besser zu werden?

Die Arbeit als Team ist wesentlich. Bei Pferden lernt man ständig dazu. Dass man alles wüsste, gibt es einfach nicht. Wir fragen einander ständig irgendetwas, geben uns Ratschläge und helfen uns gegenseitig bei Problemen.

Wenn ein Pferd mit einem anderen Pfleger zu einem Turnier reist, tauschen wir immer Notizen aus – wie das Pferd so drauf ist und welche kleinen Gewohnheiten es hat. Killer Queen VDM liebt zum Beispiel ihr Schläfchen am Morgen. Also planen wir darum herum, damit sie zufrieden ist. Kommunikation, Beobachten und die Bereitschaft zu lernen sind das A und O.

Sie spielen hinter den Kulissen eine wesentliche Rolle für Daniels Erfolg. Was ist das Befriedigendste an Ihrer Arbeit?

Für mich ist es das Schönste, wenn die Pferde gesund und glücklich sind und gute Leistungen zeigen. Wenn sie sich gut in ihrer Haut fühlen und man sieht, wie sie im Parcours ihr Bestes geben, ist das ein unglaublich befriedigendes Gefühl. Und wenn Daniel glücklich ist, spürt das auch das ganze Team.

Selbst als ich zu Hause war und nicht mit zu den Turnieren gereist bin, war ich immer stolz, wenn die Pferde erfolgreich waren. Man weiß, dass die Arbeit, die man reingesteckt hat, zu diesem Erfolg beigetragen hat. Es ist durch und durch eine Teamleistung.

Welchen Rat würden Sie jemandem geben, der davon träumt, Pfleger auf diesem Niveau zu werden, vor allem bei Rolex Grand Slam-Veranstaltungen?

Pack’s an! Sei aufgeschlossen, lernwillig und lass dich nicht entmutigen, wenn es dir am Anfang hart vorkommt. Hör immer gut auf alle – es gibt immer etwas zu lernen. Du glaubst vielleicht, schon viel zu wissen, aber dann arbeitest du an einem neuen Ort und merkst auf einmal, dass man Dinge auch ganz anders machen kann. Das ist okay – jede Erfahrung hilft dir, dich weiterzuentwickeln. Ich finde es wichtig, durchzuhalten und weiterzumachen, denn die Reise ist wirklich jede Mühe wert.

Quelle: ROLEX GRAND SLAM