Die besten Dinge im Leben passieren meist unerwartet: Marco Kutscher hat es erlebt. Noch vor rund anderthalb Jahren ging der Doppel-Europameister und Olympia-Bronze-Medaillen-Gewinner im Interview mit spring-reiter.de nicht davon aus, dass er noch einmal hoch erfolgreich auf 5*-Niveau mitmischen würde. Der 50-Jährige wurde eines Besseren belehrt. Der begnadete Reiter und Ausbilder junger Pferde ist zurück auf der großen internationalen 5*-Bühne. Im Mai glänzte er im Sattel von Aventador S als Zweiter im Grand Prix in Madrid, heimste Top-Platzierungen in Bordeaux, Mexiko, Cannes und Hohen Wieschendorf ein und verstärkt das Team Riesenbeck International bei der Global Champions League. Kürzlich wurde Marco Kutscher zudem in den Springausschuss berufen – weil seine Meinung zählt, seine Expertise Gewicht hat. Wir haben mit dem Stilisten im Springsattel über die Risikobereitschaft, über große Konkurrenz und die Veränderungen im Springsport und über seinen neuen Sportpartner Mumbai gesprochen. Und Marco Kutscher hat verraten, welchen Traum im Westernsattel er gerne noch mal verwirklichen möchte.
Vor rund zwei Jahren hast Du im Interview mit spring-reiter.de gesagt: „Ich habe in meinem Leben so viel mehr erreicht, als ich mir als Kind und Jugendlicher jemals erträumt hätte, und ich bin mit mir selbst zufrieden und im Reinen. Meine Laune hängt nicht davon ab, ob ich jetzt nochmal auf 5* Niveau oder in Nationenpreisen oder in Richtung Championat unterwegs bin. Wenn das so wäre, natürlich würde ich es dann auch gerne machen, aber wenn nicht, dann ist das auch ok.“
Marco Kutscher grinst: „Ja genauso ist es ja auch gekommen. Ich habe schon im letzten Jahr mit Karajan, der leider derzeit verletzungsbedingt fehlt, wieder ein Pferd gehabt, mit dem ich auf dem Niveau mitmachen konnte. Aventador war ja auch schon länger gut, dann haben wir ihn kastrieren lassen und er ist auch eine Zeit lang ausgefallen. Aber jetzt ist er doch seit geraumer Zeit sehr stabil und konstant und hat tolle Sachen dieses Jahr gemacht. Das hat sich so ergeben, das war damals nicht so absehbar. Das würde ich heute auch wieder genauso unterschreiben. Wenn es sich ergibt und man die passenden Pferde hat, dann macht das ja auch Spaß, aber wenn mal irgendwann der Tag kommt, wo das nicht mehr der Fall ist, dann werde ich auch ziemlich schnell die Kurve kriegen, glaube ich.“
Was bedeutet dir heute so ein zweiter Platz im Grand Prix in Madrid?
Marco Kutscher: „Sehr viel. Ich hatte ja eine sehr erfolgreiche Zeit, wo ein zweiter Platz auch oft enttäuschend war. Mit den Jahren und den Erfahrungen lernt man dann auch, diese Art Pferde zu schätzen, und auch solche Erfolge, auch wenn es ein zweiter oder dritter Platz ist. Bei mir hängt es auch noch so ein bisschen davon ab, wie es dazu gekommen ist. Ob es einfach gewesen wäre zu gewinnen, ob ich als Reiter etwas falsch gemacht habe. Aber wenn ich für mich das Gefühl habe, ich habe das Optimum rausgeholt, dann finde ich, lernt man auch mit der Zeit, zufrieden zu sein. Wenn man dann lange auch nicht auf diesem Niveau geritten ist und einem zwischendurch dann so etwas mal gelingt, dann ist das für alle, das Team zu Hause, für die Besitzer auch motivierend und tut ja dann auch gut. Und für einen selber natürlich auch.“
Vor 21 Jahren war das noch anders: 2004 sicherte sich gebürtige Ostfriese mit Montender die Bronze-Medaille bei den Olympischen Spielen in Athen – und sprang auch mit der Mannschaft auf Platz drei. 2005 setzten Kutscher und Montender noch einen drauf: Das Paar wurde Doppel-Europameister. Auch 2011 gehörte Kutscher mit Cornet Obolensky zum siegreichen Team Deutschland bei der Europameisterschaft.
Was macht Dir heute mehr Spaß, junge Pferde auszubilden oder Sonntag im Grand Prix zu reiten?
Marco Kutscher überlegt kurz: „50:50, würde ich sagen. Ein junges Pferd, das Potential hat, das lernfähig und lernbegeistert ist, mit dem man sich Ziele wie die Bundeschampionate setzt, und wenn das dann funktioniert, dann macht mir das genauso viel Spaß, wie mit einem erfahrenen Pferd auf höherem Niveau erfolgreich zu sein. Am Ende ist es ja irgendwie die tägliche Arbeit, die einem bei einem jungen Pferd eher das Gefühl gibt, dass man schneller vorankommt. Bei einem bereits ausgebildeten Pferd geht es ja oft nur noch um Kleinigkeiten, die aber dann aufgrund des Alters und der vielleicht nicht mehr so ganz vorhandenen Lernfähigkeit etwas länger dauern können. Da ist der Progress bei jungen Pferden deutlich schneller. Das macht einfach Spaß, ich reite sehr gerne auch zu Hause. Wenn ich mal ein Wochenende kein Turnier habe, bekomme ich keine Depressionen. Mir macht einfach die Arbeit mit den Pferden Spaß. Und wenn es talentierte gute Pferde sind, dann ist mir das Alter eigentlich egal.“
Wie bist Du zu Christian Kukuks Championatspferd Mumbai gekommen?
Marco Kutscher: „Ludger hat mich angerufen und mich gefragt, ob ich ihn reiten möchte. Ich kenne das Pferd natürlich seit Jahren, habe ihn auf vielen Turnieren und Championaten gesehen. Vor zwei Monaten hat Ludger dann angerufen und gefragt, ob ich Platz und Zeit hätte, Mumbai zu reiten. Da habe ich natürlich nicht nein gesagt, so ein außergewöhnliches Pferd zu probieren. Gerade in meiner Situation, wo ich über nicht sehr viele volljährige Pferde verfüge. Ich habe sehr gute junge Pferde. Ich habe drei sehr gute siebenjährige Pferde. Aber dann ist da so ein bisschen ein Loch. Ich habe Avenatdor und Catelly. Aber wenn ich dieses Jahr die Chance habe, bei der Global Tour mitzumachen, dann kann man nicht genügend ältere Pferde haben. Von daher war ich sehr froh und dankbar, dass Ludger mich gefragt hat. Das habe ich natürlich gerne angenommen und versuche, das Beste draus zu machen. Bis jetzt fühlt sich das auch sehr gut an. Ich bin Mumbai erst mal viele kleinere Prüfungen geritten. Bei den Deutschen Meisterschaften war es das erste Mal, wo es so ein bisschen um mehr ging. Daher habe ich mich auch bewusst für die DM in Balve entschieden. Weil man mal zwei Parcours hintereinander bestreiten muss, man dann einen Tag Pause hat und dann Sonntag noch mal.“
Am Ende schlossen Marco Kutscher und Mumbai ihre erste gemeinsame Deutsche Meisterschaft auf Platz 12 ab.
Macht es Dir Spaß, im Team zu reiten?
Marco Kutscher: „Ja, das macht schon Spaß. Vor allem, wenn man in so einem Team reitet wie Team Riesenbeck. Da ist schon eine andere Motivation dahinter. Der Spirit, der in diesem Team herrscht, ist enorm, und das spornt natürlich an. Das hat mich damals schon, als ich noch für Ludger gearbeitet habe, angespornt. Das soll jetzt nicht negativ klingen, den anderen Teams gegenüber. Aber bei Riesenbeck International liegt der Fokus schon sehr, sehr stark auf der Team-Geschichte, auch wenn es für uns dieses Jahr noch etwas unglücklich läuft. Aber die sind natürlich auch sehr erfolgsverwöhnt die letzten Jahre. Da lief es bei denen ja wie geschnitten Brot. Dass das nicht immer so weiter geht, ist auch klar. Aktuell ist das Glück noch nicht so richtig auf unserer Seite. Wir haben fast Halbzeit, da ist ja auch noch einiges möglich.“
Für ein Team zu reiten kann schon mehr Druck bedeuten. Kannst Du gut mit Druck umgehen?
Marco Kutscher: „Mit Druck muss man leben. Wenn einem das zu viel ist, dann ist man auf diesem Niveau vielleicht nicht an der richtigen Stelle.“
Muss man heute Grenzen ausloten, um erfolgreich zu sein und ganz vorne mitzumischen?
Marco Kutscher: „Das ist schon immer so gewesen, in allen Sportarten. Oft ist es ja auch eine Kopfsache, die am Ende entscheidend ist, und es geht um die Risikobereitschaft. Wenn wir jetzt mal die Formel-Eins nehmen, da wird am Ende auch nicht der gewinnen, der bedachter fährt oder den anderen vorlässt. Man muss auch schon ein bisschen frech sein. Alles, was innerhalb der Grenzen ist, ist absolut ok. Klar sind gerade die jüngeren Kollegen auch etwas risikobereiter. Ich werde ja auch älter und das merke ich auch. Und wenn ich im Stechen bin und oder mir ein Stechen meiner Kollegen anschaue und ich überlege, wie hätte ich das jetzt gemacht, da denkst du auch, diese Distanz hättest du jetzt nicht genommen und vielleicht hättest du auch einen Galoppsprung mehr gemacht. Dann hättest du am Ende auch nicht gewonnen. Die Risikobereitschaft, die muss dann auch irgendwie vorhanden sein, wenn man am Ende ganz vorne sein will.“
Nimmt diese Risikobereitschaft mit dem Alter ab?
Marco Kutscher lacht: „In meinem Fall würde ich sagen ja. Ich weiß ja nicht, wie es bei anderen ist. Aber da überlegt man schon mal, man hat ja auch das eine oder andere erlebt, den einen oder anderen Sturz erlebt. Das ist aber ganz normal. Da lebe ich mit und das finde ich auch überhaupt nicht schlimm.“
Gefühlt geht es in diesem Sport ja immer mal bergauf und auch mal wieder bergab und die Konkurrenz wird größer…
Marco Kutscher: „Ja, das ist so. Da muss man am Ball bleiben, versuchen, sich junge Pferde aufzubauen. Ich bin auch darauf angewiesen, dass mir fremde Leute ihre Pferde in Beritt geben. Ich habe auch ein paar Beteiligungen und ein paar eigene Pferde, aber das hält sich in Grenzen. Die Anfragen gehen zurück, das merke ich auch. Das ist deutlich weniger geworden. Es gibt auch mittlerweile andere, junge Leute in Deutschland, die unheimlich erfolgreich sind, die dann im Moment IN sind und wo man dann die Pferde hingibt. Das ist der Markt. Das würde ich als Besitzer vielleicht genauso entscheiden, wenn ich die Auswahl hätte, was mache ich jetzt mit meinem Pferd, wem gebe ich das Pferd. Was ist das Ziel? Auch da schläft die Konkurrenz nicht auf dem Baum und die ist da. Es ist ein Kämpfen um die jungen Pferde. Viele werden auch schon sehr jung verkauft, weil die älteren Pferde so teuer geworden sind. Aber auch die jungen Pferde liegen im Vergleich zu dem, was sie vielleicht schon gemacht haben, oft über dem Preis. Weil auch die Hoffnung mit verkauft wird, dass es vielleicht mal in die Richtung gehen könnte. Da muss man den Züchter und Besitzer auch verstehen, es ist alles so teuer geworden, dass man dann oft nicht den ganz langen Weg gehen kann. Man muss es sich auch leisten können zu warten, bis ein Pferd neun oder zehn Jahre alt ist, um es dann erst zu verkaufen. Das ist verständlich, das Risiko ist ja auch da. Dass sich das Pferd verletzt oder es sich sportlich doch nicht so entwickelt, wie man das in jungen Jahren vielleicht erwartet.“
Wie hat sich der Sport in den letzten Jahren verändert? Findest Du, dass sich der Sport in die richtige Richtung entwickelt?
Marco Kutscher: „Eine sportliche Entwicklung ist auf jeden Fall da, wenn ich mir jetzt die Parcours anschaue, da hat sich in den Jahren vieles verändert. Die Anforderungen sind höher geworden, die Konkurrenz ist größer geworden. Und es gibt auch immer mehr 4- und 5-Sterne Turniere. Trotzdem ist es sehr schwer, wenn man nicht gerade ganz vorne in der Weltrangliste ist, auf diese Turniere zu kommen. Deshalb ist es in meinem Fall jetzt auch ein Segen, dass ich die Global Tour reiten darf, weil ich sonst gar nicht auf dieses Niveau kommen würde. Es sei denn, man bekommt in Deutschland mal die Chance wie in Hamburg oder Wiesbaden. Dann gibt es ja sehr, sehr viele Turnier im 2-Sterne Bereich. Aber die guten nationalen Turniere, die sind deutlich weniger geworden, die ländlichen Turniere, wo die Basis ja nun mal herkommt. Das ist ein Riesen-Problem. Das hat aber auch mehrere Gründe: Die Vereinsstrukturen haben sich verändert, da sind nicht mehr so viele Leute am Sport interessiert. Und es fehlt an den Helfern, die so ein Turnier ausrichten, alles vorbereiten, Kuchen und Kaffee mit verkaufen, diese ganzen Leute, die das ehrenamtlich machen, die fallen in den Vereinen oft weg. Und dann bleibt es am Ende an nur wenigen Leuten hängen, die dann umso mehr machen müssen. Auch das Niveau hat sich in den letzten Jahren durch Reitsport-Zentren wie Peelbergen, Opglabbeek und Riesenbeck – wo die Bedingungen, egal ob bei Wind, Sonne oder Regen, einfach unheimlich gut sind – verändert. Wenn ich dann auf ein ländliches Turnier fahre, wo das vielleicht alles nicht so ist, da sind die Unterschiede auch mal groß. Aber das ist auch klar, wie soll so ein Verein da auch mithalten können, das fängt bei den Böden an und hört bei den Hindernissen auf. Diese Entwicklung kann einem sicher Sorgen bereiten, ja.“
Du bist neues Mitglied im Springausschuss – wie kam es dazu und wie siehst Du Deine Rolle?
Marco Kutscher: „Nach dem Ausscheiden von Michael Rüping im Springausschuss bin ich gefragt worden, ob ich das machen möchte. Ich wurde zu mehreren Posten u.a. dem Aktivensprecher gefragt, und da habe ich überall abgesagt. Aber man kann auch nicht nur nein sagen, und man möchte in diesem Sport vielleicht auch mitgestalten. Bei dieser Aufgabe ist es nun so, dass sich mein Aufwand in Grenzen hält. Ich bin sowieso auf vielen Turnieren selber vor Ort, und wenn nicht, kann ich mir die Ritte der Kollegen auch auf ClipMyHorse anschauen. Es geht darum mitzuentscheiden, wer vielleicht zum Championat geht. Zumindest kann ich meine Meinung dazu abgeben. Da stehe ich voll dahinter und das mache ich auch gerne. Aber natürlich muss ich auch gucken, wenn ich andere Aufgaben annehme, dass ich mich nicht verzettele und ich nicht auf zu vielen Hochzeiten herumtanze. Ich habe ja nach wie vor einen Betrieb, den ich zu führen habe, und der verlangt auch sehr viel von mir. Der Aufwand für den Springausschuss ist überschaubar. Und als interessierter Sportler schaut man sich ja sowieso die Kollegen mit an.“
Du bist auch noch Juror beim Goldenen Sattel und Trainer bei der Rolex Academy…
Marco Kutscher: „Das ist mal etwas anderes vom Alltag. Da geht es ja in Leipzig nur um den einen Nachmittag und natürlich um die Vorauswahl der Reiter, die ich mit aussuche. Es werden Vorschläge gemacht von den Landesverbänden. Und dann schaut man sich die Reiter an. Viele kennt man ja auch. Wenn man sie nicht kennt, schaut man sich Videos von den Reitern an und entscheidet dann, wer die vier Kandidaten sind, die um den Goldenen Sattel an den Start gehen. Der Aufwand ist sehr gering. Mit der Rolex Academy kommen dann teilweise junge Leute zu mir, die dann auch mal einen längeren Zeitraum bei mir sind, je nachdem wie es passt. Meist geht es dann nicht unbedingt um das Parcoursspringen, das können die Meisten sehr gut. Meist geht es eher um Hilfestellungen, zum Beispiel bei der Grundausbildung oder der Dressur-Arbeit.“
Wie siehst Du die Entwicklung – viele Nachwuchsreiter können sehr gut einen 5* Parcours absolvieren, aber keine jungen Pferde mehr ausbilden, weil die Basics fehlen…
Marco Kuscher: „Das ist sicher so, das sind zwei Paar unterschiedliche Schuhe. Natürlich sollte ein guter Reiter auch ein junges Pferd ausbilden können. Aber es kann auch nicht das Kriterium sein, dass ein Reiter das machen muss. Deshalb sind ja auch die älteren Pferde so begehrt und auch so teuer. Mit einem ausgebildeten Pferd bedarf es eben anderer Qualitäten, als ein junges Pferd auszubilden. Das ist etwas anderes und damit tun sich auch einige Reiter schwer. Aber am Ende des Tages muss man ja schon sagen, dass die Qualität des Reitens sich in den letzten Jahrzehnten unheimlich entwickelt hat. Wie viele Reiter es einfach gibt auf dieser Welt, die unheimlich rhythmisch und gut schwere Springen reiten können. Das war vor 30 Jahren noch nicht so. Das geht natürlich nach unten durch. Ob das jetzt der Children-Sport ist oder bei den Junioren, wieviel die da auch schon international unterwegs sind, bei Championaten und bei Nationenpreisen. Wie sich dieser Sport entwickelt hat und was da verlangt wird, von den Reitern und natürlich auch von den Pferden.“
Ist es heute ein sehr elitärer Sport, was denkst Du?
Marco Kutscher: „Wenn man diesen Zirkus mitmachen möchte, muss man schon finanzstark sein. Sonst wird das schwierig. Das heißt aber im Umkehrschluss nicht, dass es ein Reiter nicht auch schaffen kann, wenn er Talent hat und einfach reiten kann. Am Ende setzen sich die Talente dann auch irgendwie durch. Es ist ja auch kein Muss, dass man als Children- oder Junioren-Reiter Championate oder Nationenpreise geritten sein muss, um in diesem Sport zu bestehen oder nach oben zu kommen. Sicherlich ist es nicht mehr ganz so einfach, wie es vielleicht mal war. Aber die Chance besteht. Wenn man dranbleibt und einfach gut reitet, kann man aus den Pferden dann auch vielleicht mehr rausholen, als andere, die ein besseres Pferd benötigen.“
Welche Eigenschaften sind Dir bei Deinen Pferden besonders wichtig?
Marco Kutscher: „Ich hatte das Glück in meiner Karriere, dass ich viele außergewöhnliche Pferde reiten durfte. Auch wenn ich mit Cash nie auf einem Championat war, dennoch war er so ein Pferd, der auch heute noch super wäre für viele Große Preise. Pferde, die einfach funktionieren, die nicht kompliziert und guckig sind, die auf jedem Platz dieser Welt – ob in Aachen oder Calgary oder in einer Halle – einfach überall gleich sind. Unerschrocken, mutig, gute Reiteigenschaften mit den Qualitäten, die ein Springpferd am Ende ausmachen. Mut ist natürlich unheimlich wichtig. Vermögen schadet natürlich auch nicht, aber mit der richtigen Einstellung kann ein Pferd am Ende unheimlich viel wettmachen. Die müssen einfach springen, das ist das A und O. Wenn ein Pferd aufwändig springt, dann sieht das vielleicht spektakulär aus, aber wenn ein Pferd einfach springen kann und den Mut hat, dann wachsen die oft in die Aufgaben rein. Natürlich kann auch ein am Anfang schüchternes Pferd in die Aufgaben hineinwachsen, aber dann muss man sich auch die Zeit nehmen. Auch vielleicht mal auf einen anderen Platz fahren, wo es andere Böden und Hindernisse gibt. Die Pferde können das auch lernen. Grundsätzlich ist Mut aber unheimlich wichtig.“
Welchen Reitern siehst Du heute selber gerne zu?
Marco Kutscher: „Wir haben ja viele außergewöhnlich gute Reiter in Deutschland. Generell gehöre ich zu der Generation Daniel Deusser, Christian Ahlmann und Marcus Ehning. Das sind Kollegen, mit den ich seit Jahren zusammen bin und mit denen ich auch privat sehr gut befreundet bin. Das sind alles schon außergewöhnliche Reiter. Den schaue ich auch unheimlich gerne zu.“
Züchtest du auch selber?
Marco Kutscher: „Nee, gar nicht. Ich habe schon mal das ein oder andere Fohlen gekauft, das hat mal gut, mal nicht so gut geklappt. Meistens mache ich das dann mit Freunden zusammen, die die Möglichkeiten haben, so ein Pferd mit aufzuziehen. Ich finde es immer schwierig, wenn es nicht in den eigenen Händen ist. Da gibt man so ein Pferd irgendwo weg, damit tue ich mich schwer. Und der Weg ist dann doch sehr weit. Ich versuche dann lieber, wenn es irgendwie geht, ein junges Pferd zu kaufen, wenn es vierjährig ist, wo man sich dann zumindest schon mal draufsetzen kann. Da kann ich schon viele Kriterien ausschließen und gucken, wie sich das Pferd anfühlt. Ich finde ja auch jedes Fohlen süß, aber da kann ich nicht reinschauen, und die Röntgen-Bilder kann ich auch noch nicht machen. Für mich ist es sinnvoller, ein vierjähriges Pferd zu kaufen.“
Du hast ein paar tolle Nachwuchspferde – darunter auch einen 7-jährigen Nachkommen von Holger Wulschners Diamant de Plaisir, Direct-to?
Marco Kutscher: „Ja, der kommt aus der gleichen Zuchtstätte wie Policeman und auch Peacemaker. Dieser hier, der hat unheimlich viel Geist, als Hengst war er teilweise aber etwas übermotiviert. Bevor ich den bekommen habe, habe ich gesagt, ich glaube, es ist besser, den zu kastrieren. Das hat dem Pferd auch, glaube ich, gut getan. Im Umgang ist er super artig, im Parcours hat er schon ein bisschen Geist, aber sehr positiv.“
Haben Direct-to und auch Aventador S durch das Legenlassen nichts an ihrer Motivation verloren?
Marco Kutscher grinst: „Nee, das glauben ja immer viele. Im Umkehrschluss dürfte dann ja kein Wallach springen. Das habe ich bis jetzt noch nicht erlebt, dass die Hengste an Qualität verloren haben, im Gegenteil, für einige ist es ja ein Segen, dass sie kastriert werden. Wenn die nicht decken und als Hengst nicht entspannt sind, tut man den Tieren nur einen Gefallen. Im Umgang, im Stall auf den Turnieren, beim Transport. Für alle Beteiligten ist es deutlich einfacher und für das Pferd vor allem.“
Wenn Du einen Moment in Deiner Karriere noch einmal erleben könntest, welcher wäre das?
Marco Kutscher: „Ich hatte natürlich das Glück, so Einiges erleben zu dürfen. Da war die Europameisterschaft in San Patrignano sicher etwas ganz Besonders. Aber auch die Olympischen Spiele in Athen. Der Gewinn der Goldmedaille, die ja später dann zu einer Bronze-Medaille Gott sei Dank noch wurde, das war etwas besonders. Zu dem Zeitpunkt habe ich das alles gar nicht so richtig realisiert, was da so passiert ist. Wir waren ja nun mal ein paar Wochen Olympia-Sieger und das war geil.“
(Ursprünglich gewann Marco Kutscher zusammen mit seinen deutschen Kollegen in Athen Mannschafts-Gold, die Goldmedaille musste aber durch die Disqualifikation von Ludger Beerbaum nachträglich an die Mannschaft der US-Amerikaner abgeben werden. Die Deutschen wurden auf den dritten Platz gesetzt.)
Was steht noch auf Deiner Bucket List?
Marco Kutscher überlegt nicht lange: „Ich habe keine Bucket List und hätte ich eine, würde nichts draufstehen. Ich nehme alles so, wie es kommt, und ich bin rundum zufrieden. Ich habe bisher Riesenglück in meinem Leben gehabt. Daher ist da nichts offen. Oder doch: Eine Sache vielleicht…Ich bin ein riesiger Fan der Yellowstone Serie. Ich war so begeistert von dieser Landschaft. Irgendwann möchte ich mal auf einem Westernpferd im Westernsattel ein paar Wochen durch Yellowstone reiten. Das würde ich sehr gerne mal machen.“
Text und Interview: Corinna Philipps