„Wir sind nicht hier für Silber!“ Interview mit Meredith Michaels-Beerbaum, Brianne und Markus Beerbaum 

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Pferde sind in ihrer DNA. Brianne Beerbaum hat das Pferde-Gen von ihren berühmten Eltern geerbt. Die Tochter der Springreiterlegenden Meredith Michaels-Beerbaum und Markus Beerbaum hat den Springsport quasi mit der Muttermilch aufgesogen. Pferde, Reiten, Ehrgeiz, Training, Wettkampf, gewinnen, verlieren – all das gehörte früh zum Leben der heute 13-Jährigen. Sie folgt den Spuren ihrer Eltern, die Welt- und Europameisterschaften, Große Preise und eine Olympische Medaille gewannen. Gerade hat Brianne in der Altersklasse der Children Mannschaftsgold bei der Europameisterschaft der Nachwuchspringreiter in Gorla Minore geholt. Und als Schlussreiterin dem Team den Sieg gesichert. Wir haben mit Brianne, Meredith Michaels-Beerbaum und Markus Beerbaum über große Ziele, nervöse Eltern am Rande des Parcours und die große gemeinsame Leidenschaft für den Springsport gesprochen. 

Brianne strahlt, als wir sie zum Interview treffen. Den großartigen Team-Sieg bei der EM in Italien hat sie immer noch nicht wirklich realisiert. „Ich kann immer noch nicht so richtig fassen, was da passiert ist. Wir haben uns natürlich auf die EM vorbereitet. Aber auf das Gewinnen war ich ehrlich gestanden nicht vorbereitet. Das habe ich, haben wir nicht erwartet“, erzählt die Gold-Medaillen-Gewinnerin. 

Mit dem 17jährigen Holsteiner Wallach Carlucci (v. Calido), mit dem Mynou Diederichsmeier 2019 die Deutschen Meisterschaften in Balve gewann, stand sie vor der schwierigen Aufgabe,  als Schlussreiterin mit einer schnellen fehlerfreien Runde den Sieg für das deutsche Team zu sichern. 

Eine enorme Drucksituation, erst recht für eine 13-Jährige. 

„Mein Puls war sehr hoch“, erinnert sich Meredith Michaels-Beerbaum. Insbesondere, weil ihr Mann Markus nicht da war. „Ich war die ersten zwei Umläufe dabei, musste dann aber für eine Schülerin nach Falsterbo in Schweden. Zum Glück war der Nationenpreis von Brianne am Morgen und der meiner Schülerin am Nachmittag. So konnte ich alles am Handy verfolgen. Aber der Parcours war so natürlich für mich aus der Ferne schwer zu beurteilen und ich war entsprechend aufgeregt“, schildert Markus Beerbaum die Situation. 

Ungewohnt war die Situation auch für seine Frau: „Markus war bei mir immer der, der genau kalkuliert hat, wie ich reiten muss, um zu gewinnen. Er war immer dabei, gab mir die nötige Sicherheit.“

Im Finale in Gorla Minore waren Mutter und Tochter nun auf sich selbst gestellt. „Ich war mit Brianne am Abreiteplatz beim Aufwärmen. Die anderen vom deutschen Team guckten im Parcours zu. Als wir dann zum Parcours kamen, wusste ich gar nicht, wie wir reiten sollten. Ein Mann von einer anderen Mannschaft sagte, ‚reitet langsam Null‘. Ich war erstaunt und wiederholte: Langsam Null? Wir waren fast im Parcours und der Mann wiederholte: ‚Ja, langsam Null für Silber‘. Ich wiederholte: Für Silber? Wir sind nicht hier für Silber. Der Mann hatte nach einer schnellen Runde der Franzosen offensichtlich gedacht, die Goldmedaille ist eh weg. In diesem Moment waren Brianne und ich ein wenig durcheinander. Weil wir eigentlich geplant hatten, dass sie schnell reitet. Dann kam der Bundestrainer und sagte zu Brianne: ‚Reite so schnell wie möglich, so schnell, wie Du kannst‘. Und dann ist sie mit lachendem Gesicht reingeritten“, erzählt Meredith Michaels-Beerbaum.

Von diesem Moment an konnte Meredith, die erste und einzige Frau, die jemals die FEI Weltrangliste der Springreiter anführte (2004), nur noch die Daumen für ihre Tochter drücken. „Ich war natürlich nervös, aber als sie durchs Ziel war, habe ich gejubelt. Ich hatte im ersten Moment gar keine Ahnung, ob sie gewonnen hatte oder nicht. Ich war nur so froh, weil sie so gut geritten war. Und dann rief jemand ‚Gold‘ – das war einfach außergewöhnlich. In dem Moment, als sie durch das Ziel war, habe ich als Profireiter gesehen, wie gut das war, wie gut sie geritten ist.“  Gemeinsam mit Jolie Marie Kühner auf Dialo, Colin Sorg mit Casillas und Luise Konle auf Dressed for Success feierte Brianne ihren bisher größen Sieg der noch so jungen Karriere.  

Und Meredith Michaels-Beerbaum konnte endlich erleichtert durchatmen. „Die Anspannung als Zuschauer ist viel größer, als wenn man selber reitet. Man hat halt keine Kontrolle. Sie reitet rein und ich kann nicht helfen. Ich kann nur die Daumen drücken“, bringt es Meredith Michaels-Beerbaum, Mannschafts- Welt- und Europameisterin sowie mehrfache Weltcup-Siegerin auf den Punkt. 

Die starken Nerven hat Brianne auf jeden Fall von der Mutter, lobt Markus Beerbaum seine Tochter. „Ich mag schnell reiten. Gerade mit Carlucci, weil ich weiß, dass ich ihn immer unter Kontrolle habe und trotzdem schnell mit ihm sein kann“, beschreibt die junge Mannschafts-Europameisterin ihre Beziehung zu dem großen Schimmel. Carlucci, da sind sich die Beerbaums einig, ist ein richtiger Lehrmeister, ein Glücksgriff.   

„Als wir angefangen haben, sind wir nur 90cm hoch gesprungen. Da war ich noch etwas nervös, das ist ungefähr anderthalb Jahre her. Bis dahin bin ich halt nur Ponys geritten. Das war ein großer Schritt vom Pony auf den großen Carlucci“, erinnert sich Brianne, die die Internationale Schule in Bremen besucht und deren Lieblingsfächer Englisch und Mathe sind. 

„Carlucci ist bei aller Größe unheimlich praktisch in seiner Galoppade. Er hat viel Vermögen aber auch eine unheimlich große Reitqualität. Das hat Brianne unheimlich viel Sicherheit gegeben und ihr den Umstieg auch leicht gemacht. Sie hat ein gutes Auge für die Distanz und sie kann immer das machen, was ihr Auge ihr sagt. In der Beziehung ist Carlucci ein unglaublicher Lehrmeister“, erklärt Markus Beerbaum. 

Die Leidenschaft für Pferde entbrannte bei Brianne früh: „Mir war schon mit fünf Jahren klar, dass ich reiten möchte. Ich war ja von frühester Kindheit von Pferden umgeben.“ Sie fing bei einer Trainerin in Wellington an. Später übernahm ihre Mutter das Training, auch weil Markus öfter mit Schülern auf Turnieren unterwegs war. 

„Wir haben ein sehr gutes Verhältnis. Das hat bisher immer gut geklappt“ lacht Meredith, die zugibt, als Mutter auch nicht ganz frei von Angst zu sein. 

 „Ich bin immer etwas nervös als Mutter. Klar kenne ich den Sport und ich weiß, dass dieser auch gefährlich sein kann. Das ist die Wahrheit über unseren Sport. Aber ich war immer froh, dass Brianne Carlucci bekommen hat. Weil er ein Lehrmeister und ein Verlass-Pferd ist“, erzählt Meredith, die bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio mit Fibonacci die Bronze-Medaille gewann.  

Auch Brianne strebt eine Profi-Karriere im Springsattel an. „Ich würde gerne beim Chio Aachen starten und am liebsten dort auch mal den Großen Preis gewinnen. Das ist ein riesiges Ziel“, erzählt Brianne Beerbaum. 

„Wir wissen natürlich, dass das ein langer Weg ist. Aber wenn ihr Herz daran hängt, sie dafür brennt, dann finde ich es super. Und egal wie es am Ende ausgeht, so lange sie etwas macht, das sie liebt, finde ich das schön. Es passt natürlich, dass das auch unser Beruf ist. Aber wir sind völlig offen, wenn sie einen anderen Weg geht“, bringt es ihre Mutter auf den Punkt. Sie spricht aus Erfahrung. 2005 hat Meredith Michaels-Beerbaum den Großen Preis zusammen mit Shutterfly in Aachen gewonnen. Wohl kaum jemand weiß also besser, wieviel Training, Fleiß, Ehrgeiz und wieviel Erfahrung für solche Erfolge am Ende nötig sind. 

Einen Plan B, sollte es mit der großen Reitkarriere am Ende nicht klappen, würden die Eltern auch unterstützen. „Ich habe die Universität in Princeton besucht und ich hoffe natürlich, dass Brianne auch die Chance bekommt, irgendwann auf eine so gute Universität zu gehen. Das ist uns auch wichtig.“ 

In der Schule sei Brianne „sehr ehrgeizig“, erzählt ihr Vater stolz. „Wir brauchen da keinen Druck zu machen. Sie macht bisher alles mit unheimlich viel Spaß. Mit ihren Pferden hat sie eine tolle Bindung, ein tolles Verhältnis. Das finde ich ganz toll. Wo am Ende der Weg dann hingeht, muss man mal gucken“, resümiert Markus Beerbaum. 

Er macht sich auch über die Zukunft des Reitsports keine Sorgen: „Ich finde, dass das im Moment in die richtige Richtung geht in Deutschland. Ich glaube, wir hatten noch schwierigere Zeiten. Die Jugend rückt nach, und ich glaube, die versuchen auch, unseren Sport im richtigen Licht dastehen zu lassen.“ 

So sieht es auch seine Frau: „Gerade bei der EM in Gorla hat man nur Kinder mit Liebe zu den Pferden und viel Spaß gesehen. Natürlich ging es auch ums Gewinnen und Verlieren. Und natürlich flossen auch mal Tränen, weil die Medaille weg war. Doch der Spaß und die Freude überwogen deutlich. Da sah man die Liebe zu den Pferden und zu diesem Sport am allerbesten.“

Nächste Woche geht es für Brianne schon wieder weiter. Dann stehen die Deutschen Jugend-Meisterschaften im Springreiten in München-Riem auf dem Programm. „Da möchte ich natürlich auch gerne gut sein“, hofft Brianne. 

spring-reiter.de drückt der Nachwuchs-Springreiterin schon mal alle Daumen für die DM in München – und die anderen großen Ziele. 

Text und Interview: Corinna Philipps