Exklusiv-Interview mit Cian O’Connor: „Ich würde Pferde auch gerne länger behalten. Doch der Handel war für mich immer der einzige Weg.“

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Cian O’Connor ist nicht everybody‘s darling. Der irische Springreiter, Trainer und Pferdehändler weiß, dass er sich nicht nur Freunde macht, wenn er gezielt Spitzen-Pferde für Championate erwirbt oder erwerben lässt, um sie hinterher schnell wieder gewinnbringend zu verkaufen. Wie David Wills Vize-Europameister C Vier, mit dem Cian O’Connor bei der WM in Herning das Olympia-Ticket für das irische Team sicherte und den er anschließend schnell wieder verkaufte.  Erst kürzlich erwarb er Chacco’s Light, der mit Maurice Tebbel im Sattel und dem deutschen Team im August noch den Nationenpreis in Brüssel gewann. Wir haben mit Cian O‘Connor über sein Geschäftsmodell, Angebot und Nachfrage auf dem Pferdemarkt, seinen langfristigen Plan mit Chacco’s Light, über seine Karlswood Stables und die große Liebe zu den Pferden gesprochen, und er hat uns verraten, warum er die Ponys seiner Kinder niemals verkaufen würde. 

„Der Sport hat sich in den Jahren sehr verändert. Früher ging es mehr ums Reiten und um den Spaß, heute geht es mehr um das Geschäft und den Pferde-Handel. Ich will nicht sagen, dass früher alles besser war und jetzt alles schlechter ist, es ist einfach anders. Wenn man sich die Reiter anschaut, die 50 Shows im Jahr absolvieren, frage ich mich oft, ob man mit 28 Shows und ein paar Pausen dazwischen nicht auch so erfolgreich wäre? Ich weiß die Antwort auch nicht”, sprudelt es aus Cian O’Connor heraus. Der 43jährige, der bei den Olympischen Spielen 2012 in London mit Blue Loyd die Bronze-Medaille gewann, ist ein Kommunikator. Er will sich austauschen, über unterschiedliche Sichtweisen sprechen. Der Nationenpreisreiter, der schon mit 19 Jahren das erste Mal für sein Land ritt und mittlerweile 140mal die irischen Farben vertrat, kann mit Kritik umgehen, weil eine Medaille für ihn immer zwei Seiten hat. 

„Natürlich ist es auch für mich oft schwer, ein Pferd, mit dem ich erfolgreich war, zu verkaufen. Ich würde die Pferde auch gerne länger behalten. Doch der Handel war für mich immer der einzige Weg, nur so hat der Sport bisher für mich funktioniert. Ich hatte nie einen Sponsor, der gesagt hat, ‚Ok Cian, ich kaufe dir Pferde und sie sind nur für dich und für den Sport´. Manche Reiter haben das, sie haben Besitzer, die ihnen Pferde kaufen und einfach sagen: ‚Nimm das Geld und lass das Pferd auf die Weide gehen‘“, erklärt der Ire. 

Seine Pferde-Besitzer hingegen sehen die Pferde in der Regel als Investment und freuen sich am Ende über eine Rendite. 

Cian O’Connor lernte früh, dass man verkaufen muss um wieder investieren zu können. 

„Das ist Teil des Geschäfts. Ich weiß, dass jetzt viele Leute denken, wir sollten unsere Pferde alle behalten und sie am Ende ihrer Sportkarriere zu Hause in Rente schicken. Das ist eine schöne Idee. Aber wenn Du eine Familie finanzieren musst, ein schönes Zuhause haben möchtest, einen Pferde-LKW brauchst, dann musst du auch Handel betreiben. Davon leben wir. Man muss eine Balance im Leben finden, damit alles läuft. Mein Vater war in der Automobilbranche und hat immer gesagt, ‚neues Geld kauft neue Waren‘, wenn man Pferde verkauft, kann man auch wieder neue kaufen und investieren“, erinnert sich O’Connor, der mit 14 Jahren mit dem Springreiten anfing, als er merkte, dass er es im Rugby nie so weit schaffen würde wie sein Großvater, der irische Rugbystar Karl Mullen.

Mit den Karlswood Stables, einer Fünf-Sterne Ausbildungs- und Trainings-Anlage rund 23 Kilometer nordwestlich von Dublin, hat sich O‘Connor einen großen Lebens-Traum verwirklicht. Das weitläufige Areal mit Ebbe-Flut- und Gras-Plätzen sowie mehreren Hallen bietet beste Bedingungen und ein Heim für ca. 60 Pferde und zehn Studenten, die bei O’Connor trainieren und lernen. Es gibt sogar einen Wellness-Bereich für die Pferde inklusive Spa und Salz-Therapie-Raum.

Karlswood ist auch die Schaltzentrale von O’Connors Pferde-Business. Hier laufen alle Fäden zusammen. 

„Wir haben einen Mitarbeiter, Michael Kelly, der fest bei uns angestellt ist und der den ganzen Tag nichts anderes macht, als auf der ganzen Welt nach Pferden zu suchen sowie Ergebnisse und Videos auszuwerten. Jeden Montag sitzen wir zusammen und er gibt mir eine Zusammenstellung mit 20 bis 30 ausgewählten Pferden, die er anhand von Ergebnisse und Videos für interessant hält. Vom Youngster bis zum Grand Prix Pferd ist alles dabei – Pferde mit dem Potenzial für die Oympischen Spiele sind allerdings eher selten“, gibt Cian O’Connor zu.

Ihm ist vor allem die Mentalität der Pferde wichtig. „Die dürfen ruhig ein wenig schwierig sein, wichtig ist, dass sie die Stangen nicht berühren wollen. Natürlich müssen die Pferde auch ehrgeizig und vorsichtig sein. Ich mag gerne große Pferde. Und ich denke immer auch an die weitere Zukunft. Ist es leicht verkäuflich, ist es ein guter Typ? Wenn man vor Jahren ein kleines, verrücktes Pony hatte, das hoch springen konnte, habe ich gesagt: ‚Oh, das würde ich gerne reiten‘, aber am Ende konnte es niemand anderes reiten und ich es nicht mehr verkaufen. Daher bevorzuge ich heute den klassischen Typ.“

Die meisten Pferde kauft der Geschäftsmann mit Blick auf seine zahlreichen Kunden in Irland, Kanada und Großbritannien. Wenn dann die Nachfrage nach einem bestimmten Typ Pferd kommt, kann er meist schnell reagieren und hat das passende Pferd parat: „In der Regel probiere ich die Pferde vorher selber aus und dann lassen wir sie vom Tierarzt untersuchen.“

So kam auch der Holsteiner C Vier zu ihm. Mit dem Cardento-Sohn gewannen David Will und das deutsche Team die Silber-Medaille bei der Europameisterschaft in Riesenbeck 2021. „Wir haben C Vier Ende April nach dem Weltcup-Finale in Leipzig gekauft. Natürlich verstehe ich, dass darüber nicht alle glücklich waren, weil Deutschland damit ein tolles Pferd verloren hat. Auf der anderen Seite gab es aber jemanden, der das Pferd verkaufen wollte und mit uns interessierte Käufer“, bringt es der Unternehmer auf den Punkt. Auch beim Pferdehandel regeln am Ende Angebot und Nachfrage den Markt. 

“Irland war damals etwas unter Druck, weil wir uns noch nicht für die Olympischen Spiele in Paris qualifiziert hatten. Wir haben C Vier also gekauft und sind mit ihm zur WM in Herning gefahren. Er sprang fehlerfrei am ersten Tag, blieb ohne Fehler am zweiten Tag und hatte einen Fehler in der zweiten Runde des Team-Springens. Irland wurde Vierter und damit hatten wir die Qualifikation für die Olympischen Spiele in der Tasche. Eine Woche später ging ich mit C Vier in Dublin an den Start. Dort wurde er Zweiter im Hauptspringen, es gab Interessenten und wir haben ihn verkauft“, erzählt die aktuelle Nummer 108 der FEI Weltrangliste ganz offen.

Natürlich macht er sich nicht nur Freunde, wenn er Pferde beinahe wie Aktien an der Börse auf dem internationalen Wirtschaftsparkett hin und her schiebt. Er weiß das und er kann damit leben, auch wenn er diese Meinung nicht teilt: 

“Ich verstehe, dass es für einige Leute so aussieht, als wäre das Pferd eine Art Wanderpokal, der von einem Land ins andere zieht. Ich sehe das anders. Ich versuche alles unter einen Hut zu bekommen – allen gerecht zu werden. Ich kümmere mich um mein Unternehmen, sorge für meine Familie, nehme aktiv am Sport teil und betreibe Handel. Wir haben das Pferd gekauft und Irland damit geholfen sich für Olympia zu qualifizieren. Und dann haben wir es weiterverkauft. C Vier ist wahrscheinlich das einzige Pferd auf der Welt, das Teil von zwei Mannschaften war, die sich auch durch ihn für die nächsten Olympischen Spiele qualifizieren konnten.“ 

Cian bezieht sich auf die neue Reiterin des 15jährigen Wallachs Isabella Russekoff, die mit C Vier und seiner fehlerfreien Runde für das Team Israel ein Olympia-Ticket sicherte. „Aus meiner Sicht ist das also keine schlechte Nachricht, sondern eine sehr, sehr gute News-Story“, findet der Geschäftsmann. 

Mit einem lachenden und einem weinenden Auge sieht Cian O’Connor den Verkauf seiner beiden Olympia-Pferde Blue Loyd und Kilkenny. Blue Loyd (v. Landor S) hat er an seine Schülerin Nicole Walker gegeben, die er heute noch trainiert. Kilkenny (v. Cardento) ging an seinen Schüler, den jungen irischen Springreiter Max Wachman. „Kilkenny ist mir besonders ans Herz gewachsen. Ich liebe dieses Pferd. Er ist beinahe wie ein Mensch, mit dem ich reden kann. Er ist so intelligent. Ich habe ihn als Achtjährigen bekommen und sieben Monate später ging er bei den Olympischen Spielen in Tokio an den Start und wurde Siebter. Das Pferd ist ein Superhirn“, schwärmt O’Connor, der nach starkem Nasenbluten des Schimmels im Parcours bei der Team-Wertung nicht mehr an den Start ging. Die Tierärzte stellten damals bei Kilkenny nichts fest, O’Connor hätte starten können, verzichtete aber. Noch heute sieht er Kilkenny jeden Tag: „Wenn meine Kunden, die ich auch trainiere, ein Pferd kaufen, dann bin ich immer noch involviert, und das ist schön, weil man immer noch sieht, wie sich die Pferde weiterentwickeln. Kilkenny ist zum Beispiel mit Max in Brüssel Doppel-Null gesprungen. Ich finde das cool, weil ich das Pferd entwickelt und den Reiter trainiert habe.“

Einen prominenten Neuzugang in seinem Stall möchte Cian O’Connor allerdings nicht so schnell wieder hergeben: Maurice Tebbels Ex-Sportpartner Chacco’s Light (v. Chaccos Son), dem der neue Besitzer den irischen Namen Fermoy gegeben hat, soll seine Box bei den Karlswoood Stables nicht so bald wieder verlassen. 

„Er ist ein unglaublich beeindruckendes Pferd. Wahrscheinlich ist es eines der besten Pferde, auf dem ich je gesessen habe. Die ersten Runden in St. Tropez und bei der Sunshine Tour waren vielversprechend. Er ist unheimlich gut ausgebildet worden. Maurice ist ein super Reiter und hat ihn sehr behutsam aufgebaut, das kommt mir natürlich jetzt zu Gute. Ich würde ihn gerne langsam weiter aufbauen und möchte ihn erst einmal kennen lernen. Der Plan ist, ihn nicht zu verkaufen“, sagt der Springreiter. 

Dazu hat ihm auch sein Freund Kent Farrington geraten, verrät O’Connor. 

Künftig würde er sich gerne wieder mehr dem Sport und seiner Karriere im Springsattel widmen. 

 „Auf lange Sicht wäre es schön, wenn ich mich mehr auf das Reiten konzentrieren könnte. Bisher war es Handel, Handel, Handel, um den Stall aufzubauen und alles am Laufen zu halten, aber jetzt habe ich das Gefühl, dass ich einige Pferde gerne länger behalten würde. Mein Freund Kent Farrington sagte zu mir: ‚Stell dir vor, du reitest so ein Pferd wie Chacco‘s Light vier Jahre lang und wenn er dann 13 Jahre alt ist, kennst du jeden Knopf und dann kannst du alles gewinnen und da fängt der Spaß an‘. Und damit hat er natürlich Recht. Es braucht Zeit und Geduld, um so eine einzigartige Verbindung aufzubauen“, weiß auch Cian O’Connor.  

Das nächste große Ziel ist Olympia 2024 in Paris. Am liebsten mit Chacco’s Light der jetzt Fermoy nach einer irischen Stadt heißt. „Ich will den Mund nicht zu voll nehmen. Aber natürlich wäre ich gerne in Paris als Reiter am Start“, gibt der Ire zu. 

Doch bis es soweit ist, fließt noch viel Wasser durch die Seine. Das ist auch Cian O’Connor bewusst, der sich daher gerne breiter aufstellt. Mit einem neuen Sponsor aus der irischen Baubranche hat er noch weitere mögliche Olympia-Kandidaten gekauft. Das EM-Pferd von Omer Karaevli namens Maurice (v. Thunder vd Zuuthoeve) und Clown of Picobello Z (v. Cardento) von Abdel Said zogen bereits in Karlswood ein. Kürzlich kam auch noch Highland President von Trevor Breen dazu. “Diese Pferde werden alle für Olympia 2024 vorbereitet. Es ist immer besser, mehrere Eisen im Feuer zu haben, falls sich ein Pferd verletzt. Ob es dann am Ende klappt, weiß man trotzdem nicht. Die Verbindung zwischen Pferd und Reiter muss passen. Pferd und Reiter müssen zum richtigen Zeitpunkt fit sein und dann muss einen der irische Equipe Chef auch noch nominieren. Es gehört also viel mehr dazu, als einfach nur ein gutes Pferd zu kaufen und zu sagen, ich fahre zu den Olympischen Spielen.” 

Für Chacco’s Light alias Fermoy geht es im November nach Florida, wo er bis zum Ende des Jahres eine Pause bekommt. Im Januar soll es dann in Wellington in die Olympia-Vorbereitung gehen. Züchten möchte der neue Reiter mit dem Hengst allerdings vorerst nicht. „Ich habe nicht viel Erfahrung damit. Ich weiß nur, dass Zucht und Sport nicht immer gut zusammen funktionieren.“

Wir sprechen über das Image des Pferdesports. Cian O’Connor ist kein unbeschriebenes Blatt. 2004 gewann er mit seinem Pferd Waterford Crystal die Einzel-Goldmedaille in Athen. Später stellte sich jedoch heraus, dass Waterford Crystal positiv auf eine unerlaubte Substanz getestet worden war. Die FEI erkannte O’Connor die Medaille ab und gab diese an den Brasilianer Rodrigo Pessoa. Das alles ist lange her. Und er hat dafür bezahlt. 

Heute ist er sich seiner großen Verantwortung als Vorbild für Fans und Schüler sehr bewusst. „Wichtig ist, dass wir uns als Vorbilder korrekt verhalten, mit gutem Beispiel voran gehen und transparent erklären, was wir tun“, findet Cian O’Connor. Er appelliert auch an einen verantwortungsvolleren Umgang mit Social Media im Reitsport. “Wir alle nutzen und lieben es, weil wir über Social Media Werbung für unseren Sport machen können, aber die andere Seite der Medaille ist, dass man sich auch schnell angreifbar macht, alles auf den Prüfstand kommt.“ 

Cian O’Connor findet, dass wir uns wieder auf das Wesentliche besinnen sollten: “Ich habe mit 14 Jahren mit dem Reiten angefangen. Mein Vater war ein Hobby-Reiter und wir hatten dieses tolle Pferd. So fing damals alles für mich an. Mit der Liebe zu den Pferden. Das dürfen wir alle nie vergessen. Wir lieben diesen Sport, weil wir Pferde lieben. Darum freue ich mich auch so darüber, meine Kinder Ben und Cara mit ihren Ponys zu sehen. Ihnen zu zeigen, worum es geht.“ 

Klar, dass die Ponys eine Lebensstellung in Karlswood haben, der Handel mit ihnen ist für Cian tabu. „Die Ponys werden auf keinen Fall verkauft“, verspricht der stolze Papa.