Philip Rüping hat ein neues Amt: Der Top-Springreiter und Bereiter im Stall vom Paul Schockemöhle ist der neue Aktivensprecher der Springreiter. Der Sieger im Großen Preis von Neumünster und Hohen Wieschendorf 2024 wurde einstimmig gewählt. spring-reiter.de hat mit dem 41-Jährigen über diese neue Aufgabe, die damit verbundenen Herausforderungen und das Image des Springsports gesprochen.
„Wie bist Du Aktivensprecher der Springreiter geworden und warst Du gleich überzeugt?“
Philip Rüping: „Im letzten Spätsommer kam Peter Hofmann auf mich zu. Der sagte mir, dass Holger Wulschner den Job nicht weitermachen will als Aktivensprecher und ob ich mir vorstellen könnte, sein Nachfolger zu werden. Da war ich im ersten Moment ein bisschen zurückhaltend, weil ich Zweifel hatte, ob ich das zeittechnisch alles unter einen Hut kriege: Meinen Job bei Schockemöhle plus Familie und dann noch Aktivensprecher. Denn wenn du so einen Job annimmst, dann musst du auch dahinterstehen, und ein gewisser zeitlicher Aufstand gehört mit dazu. Aber dann habe ich mit Mario Stevens gesprochen, der ja Stellvertreter war und immer noch ist, der hat mir dann die Furcht genommen. Er hat mir erklärt, dass sich das in den normalen Turnieralltag und in den Alltag zuhause gut integrieren lässt, dass es viel am Telefon ist, ein oder zwei Sitzungen, die wir zusammen haben vom Springausschuss. Denn durch diese Funktion als Aktivensprecher bin ich auch Mitglied im Springausschuss.
Ich hatte auch mit Bundestrainer Otto Becker ein gutes Gespräch. Es ist auch für ihn wichtig, um sich herum ein Team von Leuten zu haben, mit denen er gut kommunizieren kann. Otto und ich haben immer ein gutes Verhältnis gehabt, und von daher passte das auch.
Ich habe auch mit ein paar Kollegen gesprochen und erhielt nur positive Rückmeldungen – dann habe ich gesagt: Gut, dann mache ich das.
Gewählt haben mich zum einen der Springausschuss, dann die Reiter des Olympiakaders und des Perspektivkaders. Das war alles einstimmig.“
Für wie lange macht man das?
Philip Rüping: „Gute Frage. Das weiß ich gar nicht. Ich gehe mal mindestens von einem Jahr aus. Holger hat es ja lange gemacht. Ich glaube, es ist nicht zeitlich befristet. Alles Weitere ergibt sich.“
Was stellst Du Dir denn genau unter Deinem neuen Job vor?
Philip Rüping: „Ich sehe mich ein bisschen als Vermittler, als Sprachrohr zwischen Reitern und Verband und Bundestrainer und der FEI. Wenn es Anliegen von meinen Reiterkollegen gibt, worum es auch immer geht, ob es Dinge sind, die auf Turnieren gut oder schlecht laufen, Dinge, die einem auffallen, dann werde ich entweder mit Otto oder dem Verband oder mit dem Turnierveranstalter oder dem Chefsteward versuchen zu vermitteln. Damit sich daraus eine Lösung ergibt, die für alle Seiten zufriedenstellend ist. Einem fallen ja immer, egal auf welchem Turnier man ist, ein paar Sachen auf, wo man sagt, das könnte hier noch ein bisschen besser sein. Man bespricht das dann innerhalb des Kollegenkreises, aber es wird dann meist nicht der nächste Schritt gegangen. Man müsste auf den Veranstalter zugehen und sagen, ein paar meiner Kollegen ist dies und das aufgefallen, was meinst du dazu, kann man sich darüber fürs nächste Mal ein paar Gedanken machen. Das wäre jetzt meine Aufgabe. Außerdem kann ich, wenn gewünscht, Otto Becker beratend zu Seite stehen, wenn es um Startgenehmigungen für internationale Turniere oder die Nominierung zu einem Nationenpreis geht.
Wir wollen ja alle das Gleiche: Wir wollen ein gutes Turnier, wir wollen guten Sport, wir wollen fairen Sport, wir wollen, dass es den Pferden gut geht. Da werde ich ein bisschen das Sprachrohr sein.“
Hast Du diplomatisches Geschick? Das wirst Du ja brauchen.
Philip Rüping: „Ich glaube, ich kann gut vermitteln und meine Rolle einnehmen. Ich komme mit den allermeisten meiner Kollegen sehr gut klar. Ich komme mit Otto und dem Verband gut klar. Von daher glaube ich, kann ich gut vermitteln.“
Bist Du so ruhig und besonnen, wie Du nach außen wirkst?
Philip Rüping grinst: „Ich würde mich auch eher als ruhig bezeichnen. Das habe ich ein bisschen von meinem Vater. Das wirkt sich dann ja, falls sich die Gemüter mal erhitzen sollten, eher positiv aus.“
Meinst Du, dass Du wirklich Einfluss hast, etwas ändern zu können?
Philip Rüping: „Ich glaube schon, dass wir zusammen am Ende Einfluss nehmen können. Ich sehe mich selber da nicht in einer Position, in der ich allein Sachen entscheide oder bestimme. Es muss immer zusammen passieren. Es muss ein Zusammenspiel sein zwischen den Aktiven, zwischen den Bundestrainern, zwischen dem Verband und, der Weg ist dann meistens noch etwas komplizierten, der FEI. Am Ende sitzen wir alle im gleichen Boot. Am Ende sollten wir alle versuchen, das gleiche Ziel zu haben. Einer allein kann nicht viel machen, aber zusammen kriegen wir vielleicht ein bisschen was hin.“
Wurden schon Anliegen Dich herangetragen?
Philip Rüping: „Ein paar Anliegen hatte ich schon. Da haben wir bis jetzt auch immer eine gute Lösung gefunden.“
Welche Themen interessieren Dich besonders, wo denkst Du, könnte man etwas bewirken?
Philip Rüping: „Ich glaube, es gibt immer noch ein paar Sachen, die den Ablauf auf Turnieren verbessern könnten. Ich habe zum Beispiel eine Anregung zum Ablauf des Tack- und Boot-Checks auf internationalen Turnieren gegeben. Da gibt es aus meiner Sicht ein paar Sachen, die man sowohl aus der Sicht des Stewards als auch der Reiter und der Pferde ändern könnte, um es für alle entspannter zu machen, indem man sagt, man fertigt den kompletten Tack- und Boot-Check vor dem Start ab, da gab es aus meiner Sicht nie eine ganz klare Regelung. Mal gibt es den kompletten Check, also Boot- und Tackcheck, vor dem Start. Dann gibt es manchmal nur einen teilweisen Bootcheck vor dem Start und den restlichen Bootcheck nach dem Start. Das heißt, es werden vor dem Start nur die hinteren Gamaschen vom Steward kontrolliert und nach dem Start dann die vorderen Gamaschen und manchmal auch erneut die hinteren Gamaschen. Das ist alles so ein bisschen durcheinander. Wen man das beobachtet auf den Turnieren, dann sieht man ja, dass im Grunde nach dem Start immer, wenn Reiter und Pferd aus dem Parcours herauskommen, beide noch etwas unter Adrenalin stehen, noch etwas Unruhe herrscht. Will man dann noch mal an die Beine und an die Trense heran, wird das alles oft etwas hektisch. Da könnte man aus meiner Sicht doch sagen: Mach alles vorher. Alles in Ruhe, bevor man reinreitet, machst du den kompletten Boot-Check, den kompletten Tack-Check. Und sobald die Prüfung vorbei ist, reitet man raus, die Stewards gucken noch mal an den Seiten, ob alles ok ist am Fell, und dann hat sich’s und der Reiter kann seines Weges gehen und alles ist entspannt.
Ich habe es angeregt. Es gab von der FN die Bitte, falls wir Anliegen diesbezüglich haben, uns dazu zu äußern. Und dann habe ich das einmal formuliert und das ging dann von der FN an die FEI. Mich hat dann der FEI Steward Michael Wassmann angerufen, die Anregung ist bei der FEI angekommen und wurde registriert. Von daher haben wir da schon mal ein bisschen was bewirkt.“
Der Pferdesport ist in der Kritik – was können alle Beteiligten tun, um das Image aufzupolieren?
Philip Rüping: „Generell glaube ich, sollten wir uns dem Thema sehr offen gegenüber zeigen. Das heißt, dass wir vollkommene Transparenz anbieten – allen Leuten gegenüber, die kritisch auf die Sache schauen. Wir müssen zeigen, dass wir nichts zu verbergen haben und, dass man sich jederzeit davon überzeugen kann, dass es unser höchstes Anliegen ist, dass es unseren Pferden gut geht, egal ob zu Hause oder auf dem Turnier. Wir müssen auch proaktiv auf Kritiker zugehen. Auch von Verbandsseite vielleicht mal den ersten Schritt machen. Es wird vom Verband immer erst reagiert, wenn etwas an Kritik kommt. Besser wäre es, proaktiv zu agieren, Aufklärung zu leisten und vorzubeugen. Oft ist es ja so, dass Leute, die sich über diesen Sport kritisch äußern, sich mit dem Sport nicht ausreichend beschäftigen. Ich denke, dass so etwas helfen würde.“
Kannst Du vielleicht auch helfen, das Verhältnis der Reiter zur FN zu verbessern?
Philip Rüping: „Auf jeden Fall, ich bin Vermittler zwischen den Reitern und dem Verband. Die können sich mit ihrem Anliegen gerne an mich wenden. Eventuell kann ich ihnen selbst direkt Auskunft geben über das, was ich weiß, oder ich nehme Kontakt auf mit unserem Verband und versuche, da ein gutes Verhältnis herzustellen. Jeder kann sich an mich wenden, das ist die Sache, für die ich gewählt worden bin.“
Beim Springen gibt es schon mal Gebisse, bei denen ein Laie denkt, dafür braucht man einen Waffenschein. Es gibt auch unschöne Bilder mit Schlaufzügeln auf großen Turnieren, die dann auf Social Media hochgeladen werden. Was denkst Du darüber?
Philip Rüping: „Mit so einem Bild ist es immer schwierig. Das sind Momentaufnahmen in Sekundenbruchteilen – da kannst Du in jeder Dressurprüfung und in jedem Springparcours eine Sequenz raussuchen, in der der Eindruck entstehen kann, dass vielleicht nicht die letzte Harmonie zwischen Reiter und Pferd besteht. So etwas lässt sich wahrscheinlich nicht vermeiden. Viel wichtiger ist es aus meiner Sicht, das Gesamtbild und den Gesamteindruck zu bewerten. Wie kommt das Pferd in die Prüfung herein, was für einen Eindruck macht es? Wie ist der Verlauf der Prüfung, wirkt es harmonisch, besteht ein Einklang zwischen Reiter und Pferd? Und wie geht das Pferd aus der Prüfung heraus? Wirkt es entspannt und zufrieden oder vielleicht gestresst und/oder unzufrieden? Das alles sind Sachen, die müssen bei der Beurteilung mit einfließen und das ist bei einem einzelnen Bild nicht möglich und von daher aus meiner Sicht auch nicht fair beziehungsweise korrekt.
Und was die Ausrüstung angeht: Es liegt weniger an der Ausrüstung als an der Anwendung.
Wir müssen uns gegenseitig, auch unter uns Kollegen, zur Seite stehen, und wenn uns selber was auffällt, wo wir denken, das sieht nicht so aus, wie es sein sollte, dass wir untereinander mehr darüber sprechen und aufeinander zugehen und sagen: Du, wenn ich ehrlich sein soll, versuch doch mal so oder mach mal kurz eine Pause. Wie gesagt, wir sitzen alle im gleichen Boot. Wir müssen uns da untereinander noch mehr helfen. Da können wir ganz viel tun, dass nicht jeder versucht, sein eigenes Süppchen zu kochen, oder der, der etwas sieht, was gerade nicht gut ist, sich nicht einfach umdreht und sagt: Interessiert mich doch nicht. Am Ende betrifft es ihn genauso. Da sollte es untereinander einen Hauch mehr Zusammengehörigkeits-Gefühl geben.“
Musstest Du Paul Schockemöhle um Erlaubnis fragen, ob Du Aktivensprecher werden kannst?
Philip Rüping lacht: „Nee, das habe ich mir einfach mal so herausgenommen. Ich habe aus meinem Betrieb auch dazu positive Rückmeldungen gekriegt. Mit Paul habe ich im Detail noch nicht darüber gesprochen.“
Wie regelmäßig musst Du jetzt nach Warendorf?
Philip Rüping: „Wir haben eine Aktivensitzung immer am Ende des Jahres, im November, die von Peter Hofmann organisiert wird. Da muss ich auf jeden Fall vor Ort sein. Zu ein oder zwei Springausschuss-Sitzungen auch innerhalb des Jahres.“
Als Mitglied im Springausschuss stimmst Du auch mit darüber ab, wer zur Europameisterschaft in diesem Jahr fährt, oder?
Philip Rüping: „Ich entscheide dazu gar nichts. Ich kann dazu meine Stimme, meine Meinung abgeben, wie ich es einschätze. Die finale Entscheidung liegt auf jeden Fall beim Bundestrainer. Der Springausschuss ist da beratend tätig.“
Wo bist zu beheimatet?
Philip Rüping: „Ich lebe seit 2013 in Mühlen und vor sechs Jahren haben wir uns dort ein Haus gekauft. Da sind wir sehr glücklich, unsere beiden Kinder gehen in Mühlen in den Kindergarten, fünf Minuten von unserem Haus entfernt. Unsere Tochter Josephin ist jetzt sechs, kommt diesen Sommer in die Schule. Unser Sohn Leonard ist vier. Die kommen mal mit in den Stall und setzen sich auf ein Pony von den Kindern von Florian Meyer zu Hartum, aber es ist noch nicht so, dass einer von beiden unbedingt regelmäßig reiten möchte. Leonard ist auch noch ein bisschen jung, und Josephin probiert ganz viel aus. Ich habe auch viel Spaß daran, wenn es die Zeit erlaubt, mit Josephin zum Tennis zu gehen oder mit Leonard etwas Fußball zu spielen. Es müssen nicht immer „nur“ Pferde sein.“
Aber eigentlich kommst Du aus Schleswig-Holstein?
Philip Rüping: „Ja. Ich bin in Itzehoe geboren, aufgewachsen in Breitenburg auf der Anlage von Breido Graf zu Rantzau. Ich freu mich immer, wenn ich mal meine Eltern besuche, wenn ich nach Breitenburg komme. Es gibt da ja auch jedes Jahr ein schönes Turnier. Wenn es zeitlich irgendwie reinpasst, fahre ich da immer gerne hin und reite da.“
Philip Rüping – vielen Dank für das interessante Gespräch und viel Erfolg im „neuen Job“.