Turniersportstatistik 2020: Turniersport auf Hälfte reduziert – Late Entry-Turniere verdoppelt
Turniersport auf die Hälfte reduziert / Late Entry-Turniere verdoppelt Foto: spring-reiter.de

Turniersportstatistik 2020: Turniersport auf Hälfte reduziert – Late Entry-Turniere verdoppelt

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Vier Monate Lockdown und in den übrigen Monaten strenge Hygieneauflagen: Die Corona-Pandemie hat auch im Turniersport deutliche Spuren hinterlassen. Doch nicht alle Veranstalter haben sich abhalten lassen. Laut aktueller Turniersportstatistik konnten immerhin 1.880 nationale Turniere stattfinden, das entspricht etwa der Hälfte des Vorjahres. „Wie vermutet, ist vor allem der ‚professionelle‘ Turniersport vergleichsweise gut in der Krise zurechtgekommen, sowohl auf Reiter- als auch auf Veranstalterseite. Der schon vorher bestehende Trend zu sogenannten ‚Arbeitsturnieren‘, bei denen die Aktiven weitgehend unter sich sind, wurde durch die Pandemie weiter verstärkt. Dagegen haben die Einschränkungen die Amateure, und hier vor allem die Einsteigerklassen, aber auch den Fahr- und Voltigiersport besonders hart getroffen“, zieht Fritz Otto-Erley, Leiter der Abteilung Turniersport der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN), ein erstes Fazit.

Im Jahr 2019 wurden 3.567 nationale Turniere mit 66.281 Prüfungen oder Abteilungen und rund 1,34 Millionen Starts gezählt. Im Corona-Jahr waren es 1.880 Turniere mit 28.218 Prüfungen und 652.595 Starts. Betrachtet man die Zahlen genauer, stellt man fest, dass es zwar nur knapp halb so viele Turniere sind wie im Vorjahr (-47,3 %), allerdings deutlich weniger Prüfungen (-57,4 %) bei gleichzeitig höherer Starterfüllung. Diese sank nur um 51,2 Prozent im Vergleich. „Das lässt sich leicht damit erklären, dass aufgrund der Hygieneauflagen nur eine bestimmte Personenanzahl gleichzeitig auf dem Turniergelände sein durfte. Daher waren auch weniger Prüfungen möglich“, sagt Fritz Otto-Erley.

Weniger Turniere, noch weniger Prüfungen, aber höhere Starterfüllung
Angesichts des bundesweiten Flickenteppichs an Regelungen verwundert es auch nicht, dass die Rückgänge in den einzelnen Verbandsbereichen unterschiedlich ausgefallen sind. Unter den Turniersporthochburgen ragt Hannover mit einem Minus von rund 32 Prozent hervor (Prüfungen -47 %, Starts -40 %) und auch in Westfalen erreichten die Turnierzahlen 2020 etwa zwei Drittel des Vorjahresstandes: minus 34 Prozent (Prüfungen -58 %, Starts -51 %). Besonders stark betroffen von der Krise war dagegen das Saarland mit einem Rückgang um rund 72 Prozent. Am besten kam Bremen durch die Krise. Der Stadtstaat kann als einzige Region Deutschlands sogar ein Plus an Turnieren melden. Hier fanden 15 statt 13 Turniere statt, umgerechnet ein Plus von rund 15 Prozent. Auch an Prüfungen (-10 %) und Starts (-11 %) hatte Bremen in 2020 die geringsten Einbußen zu verzeichnen. Das größte Minus an Prüfungen gab es in Berlin-Brandenburg. Auf rund 61 Prozent weniger Turnieren als 2019 wurden hier 71 Prozent weniger Prüfungen und auch 70 Prozent weniger Starts gezählt.

Internationale Turniere in Deutschland
Wie die nationalen Turniere waren auch die internationalen Turniere in Deutschland von der Pandemie betroffen, wie die zahlreichen Absagen renommierter Topveranstaltungen zeigte. Dennoch wurden 50 Prozent der internationalen Dressur- und Springturniere ausgetragen, 42 Prozent der Fahrturniere und 35 Prozent der Vielseitigkeitsturniere. „Das heißt aber nicht, dass diese Turniere stattgefunden haben wie geplant. Terminverschiebungen waren an der Tagesordnung, genauso wie plötzlich neue Veranstaltungsorte aufgetaucht sind und neue Angebote gemacht haben. Damit stehen wir im europäischen Vergleich gar nicht so schlecht da. Insbesondere war Deutschland Vorreiter mit den ersten Veranstaltungen nach dem Lockdown im Frühjahr“, sagt Otto-Erley.

Doppelt so viele Late-Entry-Turniere
Die Corona-Pandemie hat sich aber nicht nur auf die reinen Turniersportzahlen ausgewirkt. Sie hat auch generelle Veränderungen in der Turniersportlandschaft mit sich gebracht beziehungsweise diese beschleunigt. „Not macht erfinderisch, das haben wir in der Krise auch gemerkt. So haben noch mehr Veranstalter im Jahr 2020 ein Geschäftsmodell daraus entwickelt, Turniere in Serie anzubieten. Diese gab es zwar auch schon vor Corona, aber nicht in dieser Fülle“, sagt Fritz Otto-Erley. In Zahlen ausgedrückt bedeutet das insbesondere einen Anstieg an Late-Entry-Turnieren von 354 im Jahr 2019 auf 698 im vergangenen Jahr, was etwa einer Verdopplung entspricht. Umgerechnet auf alle Turniere hatten Late-Entry-Turniere damit einen Anteil von 37 Prozent am Gesamtturniergeschehen.

Turniersportzentren auf dem Vormarsch
Spitzenreiter in Sachen Late-Entry-Turnieren war 2020 Westfalen mit 132 Veranstaltungen, gefolgt von Baden-Württemberg (120), Hannover (106) und Rheinland (103). Dabei traten vor allem verbandsgeführte Pferdesportzentren wie Elmshorn, Langenfeld, Münster-Handorf, Verden, Warendorf oder Zweibrücken oder auch privat geführte Anlagen in Darmstadt-Kranichstein, Halver, Hamm-Rhynern, Holle-Wüsting, Luhmühlen, Riesenbeck, Wipperfürth, Zeven und andere mehr in der Anzahl an Late-Entry-Veranstaltungen besonders in Erscheinung.

„Das Turnierangebot hat gezeigt, dass das Veranstalten von Turnieren ohne Zuschauer vor allem mit einem überschaubaren personellen Aufwand möglich ist, sofern die entsprechende Infrastruktur steht“, sagt Otto-Erley. „Die Möglichkeit, einen Corona-Zuschuss von den Reitern zu erheben, hat aber sicher ebenfalls dazu beigetragen.“ Auch von der Möglichkeit, Geldpreise nicht auszuzahlen, wurde deutlich mehr Gebrauch gemacht. Flossen noch 2019 rund 88 Prozent der ausgeschriebenen Geldpreise in die Tasche der Pferdebesitzer, waren es 2020 noch 69 Prozent. Insgesamt wurden 8.682.515 Euro ausgeschüttet.

Gemischte LPO/WBO-Turniere besonders betroffen
Während auf der einen Seite die Late-Entry-Turniere also einen wahren Boom erlebt haben, haben die klassischen gemischten LPO-/WBO-Turniere auf der anderen Seite besonders gelitten. Ihre Zahl sank von 2.505 im Jahr 2019 auf weniger als ein Drittel (809). „Diesen Trend gab es bereits im vergangenen Jahr, aber 2020 ist es jetzt besonders drastisch. Dazu kommt, dass es nach Aussage der Landesverbände nur wenige WBO-Veranstaltungen gab“, sagt Fritz Otto-Erley und ergänzt: „Wir wünschen uns daher sehr, dass neben den Turniersportzentren in diesem Jahr auch die traditionellen Turnierveranstalter möglichst wieder zum Zuge kommen – vor allem im Interesse unserer Amateure, des Nachwuchses und der Neueinsteiger, die wir für den Turniersport begeistern wollen.“

E- und A-Prüfungen am stärksten im Minus
Die Turniersituation unter Corona-Bedingungen spiegelt sich auch in den Prüfungsklassen und Disziplinen wider. So waren es die S-Prüfungen, die den geringsten Rückgang verzeichnen mussten (-47 %), während E-Prüfungen (-66 %) und A-Prüfungen (-64 %) am stärksten zurückgingen.

Ebenfalls nicht verwunderlich ist, dass der Rückgang an Springpferdpferdeprüfungen mit einem Minus von nur 43 Prozent vergleichsweise gering ausgefallen ist. Springprüfungen gingen um 55 Prozent, Dressurpferdeprüfungen um 54 Prozent und Dressurprüfungen um 64 Prozent zurück. Besonders gravierend waren dagegen die Einschnitte bei den Vielseitigkeits- und Fahrprüfungen mit einem Minus von 53 beziehungsweise 87 Prozent. Einen Ausreißer bilden lediglich die Geländepferdeprüfungen mit einem Minus von nur rund 38 Prozent.

Besonders verheerend wirkte sich die Pandemie auf das Voltigieren als Kontaktsportart aus. Die Zahl der nationalen und internationalen Voltigierveranstaltungen ging von 220 auf 16 zurück, die Zahl der Prüfungen sank um rund 93 Prozent von 1.446 auf 107.  

Einbruch auch bei Jahresturnierlizenzen und Pferdefortschreibung
Wie Turniere, Prüfungen und Starts hat sich die Corona-Pandemie auch negativ auf die Zahl der Jahresturnierlizenzen und Pferdefortschreibungen ausgewirkt. So sank die Zahl der Jahresturnierlizenzen von 80.342 auf 67.587, die Zahl der fortgeschriebenen Pferde von 132.193 Pferde auf 111.683. Das ist in beiden Fällen ein Minus von rund 16 Prozent. „Die dennoch recht hohen Zahlen hängen auch damit zusammen, dass zu Beginn des Jahres 2020 keiner mit einer Pandemie rechnen konnte“, sagt Otto-Erley. Im laufenden Jahr verhalten sich die Reiter daher eher abwartend. Bis Februar 2021 wurden verglichen mit Februar 2020 gerade einmal 43 Prozent Jahresturnierlizenzen ausgestellt und auch nur 55 Prozent Turnierpferde fortgeschrieben.„Das wird sich aber sicherlich in dem Moment ändern, in dem die Ampeln für den Turniersport wieder auf Grün stehen“, ist sich Otto-Erley sicher.

Die aktuellen Turniersportzahlen können kostenlos aus dem FN-Shop heruntergeladen werden. Der komplette FN-Jahresbericht 2020 erscheint voraussichtlich Ende April. Hb