Max Weishaupt: „Es geht wenigen Tieren auf der Welt so gut wie unseren Sportpferden.“

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Sie könnten unterschiedlicher kaum sein: Die Brüder Max und Philipp Weishaupt. „Ich bin eher der vorsichtige Typ, mein Bruder war früher immer der Rowdy“, schmunzelt Max Weishaupt im Gespräch mit spring-reiter.de. Am vergangenen Wochenende traten Max, der im Juni die Bronze-Medaille bei den Deutschen Meisterschaften in Balve gewann, und sein fünf Jahre älterer Bruder Philipp zum erstem Mal im Rolex Grand Prix von Aachen gemeinsam gegeneinander an. Wir haben mit Max über unterschiedliche Temperamente, große Herausforderungen, Transparenz im Pferdesport, schwere Schicksalsschläge und über Familienzuwachs gesprochen. 

Max Weishaupt bringt nichts so schnell aus der Ruhe. „Wer mich provozieren, will muss sich schon anstrengen“, lacht der 32-Jährige. Das Schicksal hat ihn schon zweimal herausgefordert. So endete ein schwerer Sturz vom Pferd 2013 im künstlichen Koma. Die Ärzte kämpften um sein Leben. 2020 folgte der nächste Schlag: Der 1930 erbaute familieneigene Hof in Jettingen brennt an einem August-Tag nach einem Stroh-Brand fast komplett ab. Die familiäre Existenz war bedroht. Das Leben ist kein Pony-Hof. Max Weishaupt hat es hautnah erlebt. 

Ein Leben ohne Pferde – für die Familie Weishaupt wäre das undenkbar, trotz allem. Seit Generationen wird der Hof im schwäbischen Jettingen bewirtschaftet. Vater Josef, früher selbst Springreiter und seit langem bayerischer Landesjugendtrainer, übernahm den Betrieb 1972 und richtete ihn später auf Zucht und Ausbildung von Sportpferden aus. Max und sein Bruder Philipp saßen im Sattel, bevor sie laufen konnten. Philipp, seit 2003 in Riesenbeck bei den Ludger Beerbaum Stables als Bereiter angestellt, siegte unter anderem in den Großen Preisen von Aachen (2016) und Calgary (2017).

„Philipp und ich reiten beide schon, seit wir denken können. Es gab da nie einen Zwang, wir wollten immer reiten“, erinnert sich Max Weishaupt. Auch wenn die beiden Brüder ein sehr unterschiedliches Temperament besitzen: „Ich bin eher der vorsichtige Typ. Philipp geht normalerweise immer volles Risiko, das hat sich mittlerweile auch etwas gelegt, er ist auch etwas vernünftiger geworden. Ich denke vorher lieber noch einmal nach, bevor ich irgendetwas mache, was beim Reiten auch mal hinderlich sein kann. Da sind wir halt ein bisschen unterschiedlich. Jeder hat so seine Stärken und Schwächen“, bringt es Max Weishaupt auf den Punkt. 

Während Philipp für die Beerbaum Stables Woche für Woche zu Top-Turnieren um die Welt reist, kümmert sich Max um den Familienbetrieb mit den 70 Pferden, den er  jetzt teilweise von seinem Vater übernommen hat. Zu seinen Aufgaben zählen die Zucht, die Ausbildung junger Pferde, der Verkauf sowie der Unterricht der Schüler. 

Aus dem Schatten seines großen Bruders, derzeit die Nummer 26 der aktuellen FEI Weltrangliste, ist der junge Familienvater längst herausgetreten. 2021 wurde er Zweiter bei den Deutschen Meisterschaten in Balve, in diesem Jahr stand er erneut bei der DM auf dem Podium und sicherte sich mit DSP Omerta Incipit (v. Levisonn) die Bronze-Medaille. Diese konstanten Leistungen blieben auch beim Bundestrainer Otto Becker nicht unbemerkt und haben ihm auch die erneute Nominierung für Aachen beschert. 

„Ich bin jetzt das dritte Mal in Aachen und habe auch das Glück, dass ich ein Pferd habe, mit dem ich hier drei Jahre in Folge mitreiten kann. Das ist natürlich für jeden Reiter etwas ganz Besonderes – ein Kindheitstraum. Nachdem es mir die letzten zwei Jahre nicht gelungen ist, konnte ich mich dieses Jahr auch für den Rolex Grand Prix qualifizieren“, freut sich Max. 

Zwei Weishaupts im Großen Preis von Aachen, da darf man als Familie schon mal stolz sein. „Mein Bruder hat auf diesem Niveau natürlich deutlich mehr Erfahrung als ich. Ich bin super stolz auf ihn und super dankbar, dass ich von seinem Erfahrungsschatz profitieren kann und er mir mit Rat und Tat zur Seite steht“, sagt Max Weishaupt. 

Am Ende reichte es für Max im Grand Prix noch nicht für eine Platzierung, drei Stangen waren auf dem Weg ins Ziel auf den heiligen Aachener Rasen gefallen. Max Weishaupt nahm es gelassen. Er hat nicht verloren, sondern wertvolle Erfahrung gesammelt. Für den nächsten Start. Sein Bruder wurde mit dem erst neunjährigen Zineday (v. Zinedine) Dritter – mit der schnellsten Zeit im Stechen, aber leider einem Abwurf. „Ein sensationelles Pferd“, lobt Max den athletischen Fuchs des Bruders im Anschluss. 

Mit der Leistung seiner Ausnahme-Stute DSP Omerta Incipit war er in Aachen am Ende auch super zufrieden: „Die Stute hat ein Wahnsinns-Herz und eine super Einstellung. Vielleicht ist sie manchmal etwas überengagiert, aber sie hat alles, was ein gutes Springpferd braucht, und ich bin sehr, sehr froh, dass ich sie habe.“ 

Im Stall und zu Hause sei die Schimmel-Stute „ganz entspannt, ein super liebes Pferd“. „Im Parcours hat sie dagegen etwas mehr Blut, da muss man sie manchmal etwas bremsen“, beschreibt ihr Reiter das Talent der 12-Jährigen. „Sobald sie aber wieder aus dem Parcours kommt und weiß, dass sie ihren Job gut gemacht hat, ist sie das liebste Pferd, was ich kenne. Zum Glück ist sie auch überhaupt nicht guckig. Sie wird auch nicht klein in so einer beeindruckenden Arena, wie in Aachen. Die kommt in den Parcours und fühlt sich wohl“, freut sich Max. 

Omerta und sein 17-jähriger Nexus gehören zum Glück „guten Besitzern“, die ihm die Möglichkeit geben, die Pferde langfristig zu reiten. „Das ist natürlich nicht selbstverständlich und dafür sind wir auch sehr dankbar. Auch, dass sie schon das ein oder andere Angebot ausgeschlagen haben“, erzählt Max Weishaupt, dessen großes Vorbild neben seinem Bruder der Welt- und Europameister Jeroen Dubbeldam ist. 

Direkt nach seinem Abitur ging es für Max zur Weiterbildung zum Olympia-Sieger und Welt- und Europameister Jeroen Dubbeldam. Anderthalb Jahre hat er bei dem Niederländer gearbeitet. „Von Jeroen kann man so viel lernen. Er ist ein Wahnsinns-Reiter, Wahnsinns-Pferdemann. Das war eine super Zeit, da habe ich ganz viel mitgenommen. Die Ruhe und Gelassenheit, die Jeroen mit den Pferden ausstrahlt. Er versucht nie, irgendetwas über das Knie zu brechen. Da ist er wirklich ganz besonders“, findet Max. 

Die Ruhe und Gelassenheit mit den Pferden – das hat sich auch Max zu Eigen gemacht. Das kommt ihm insbesondere bei der Ausbildung schwieriger Pferde zu Gute: „‚Das mache ich ganz gerne. Wenn ich ein Pferd habe, was etwas komplizierter ist, etwas mehr Blut hat, etwas mehr Aufmerksamkeit braucht. Das ist mein Ding.“

Doch natürlich dreht sich auf einem großen Hof nicht immer alles nur ums Reiten: „Morgens bringe ich zuerst meinen dreieinhalbjährigen Sohn Moritz in die Kita, dann fange ich gegen 8 Uhr im Stall an. Ich reite dann meist sechs bis sieben Pferde. Danach ist auf so einer eigenen Anlage dann auch noch immer etwas Anderes zu tun.“ 

Die letzten drei Jahre standen vor allem Wiederaufbau-Arbeiten auf dem Tages-Programm der Familie Weishaupt: „Unsere Anlage ist 2020 beinahe komplett abgebrannt, nur die Reithalle ist stehengeblieben. Die Ställe, Lagerhallen die Führmaschine, alles brannte. Stroh hatte plötzlich angefangen zu brennen, wir haben nie so richtig herausgefunden, warum“, erzählt Max, der im September zum zweiten Mal Vater eines Sohnes wird. 

Die Weishaupts standen von einer Minute zur anderen vor den Trümmern ihrer Existenz: „Wir waren uns eigentlich sofort einig, dass wir alles wiederaufbauen. Die letzten drei Jahre waren natürlich nicht unbedingt die beste Zeit, um zu bauen.“ Corona, Preissteigerungen, und der Handwerker-Mangel waren große Hindernisse. „Das war nicht das perfekte Timing. Jetzt sind wir fast fertig, zumindest mit den Gebäuden. Gott sei Dank, sind damals keine Menschen und Pferde zu Schaden gekommen. Es war ‚nur‘ Sachschaden, da hatten wir Glück, weil es mittags war“, erinnert sich der Springreiter. 

Ein Leben ohne Pferde, für Max undenkbar. Pferde sind in seiner DNA: „Das habe ich mir nie versucht vorzustellen.“ Er hat große Träume, tolle Nachwuchs-Pferde im Stall. Sein Bruder hat ihm viel von Spruce Meadows vorgeschwärmt, wo er 2017 mit dem Holsteiner LB Convall  (v. Colman) den Grand Prix gewann:  „In Calgary war ich noch nie. Das würde mich auch mal interessieren“, schwärmt Max.

Auch wenn er weiß, dass es Leute gibt, die den Reitsport am liebsten sofort abschaffen würden. Das derzeit angeschlagene Image des Pferdesports beschäftigt auch Max Weishaupt: „Das ist ein Riesenproblem. Wenn ich allerdings die letzten Turniere sehe, ich war in München, da gab es Zuschauer-Rekorde, gleichzeitig war das Hamburger Derby, das zählte Zuschauer-Rekorde. Auch in Wiesbaden und Balve waren noch nie so viele Menschen wie dieses Jahr. Auch Aachen war jeden Tag ausverkauft. Das spricht für den Sport. So schlimm kann das Problem noch nicht sein. Allerdings ist es wirklich ernst zu nehmen und wir müssen uns da etwas einfallen lassen“, resümiert Max Weishaupt. 

Auch wenn er findet, dass man sich nicht „ganz verrückt machen lassen darf. Es gibt so viele Leute, die den Sport lieben, den Sport betreiben und genießen, dass man sich nicht von den Ersten, die laut schreien, nervös lassen machen muss.“

Trotzdem sei die Situation sehr schwierig: „Wenn man einen Fehler sucht, findet man auch einen. Es gibt immer Momente, die vielleicht nicht so schön aussehen. Die ganzen anderen, schönen Momente die es dann gibt, kann man natürlich ausblenden, wenn man das möchte. Und nur die falschen Momente filmen oder fotografieren. Da sind wir auch ein Stück machtlos. Ich finde hier Transparenz enorm wichtig. Es ist jeder jederzeit herzlich willkommen, zu uns in den Stall zu kommen und sich anzuschauen, wie wir mit unseren Pferden umgehen. Wir haben absolut nichts zu verbergen. Es geht wenigen Tieren auf der Welt so gut, wie unseren Sportpferden. Die von morgens bis abends betütelt werden, die alles haben, was sie brauchen“, fasst es der Profi-Reiter zusammen. 

Offener und ehrlicher kann man den Kritikern wohl kaum begegnen. 

Text und Interview: Corinna Philipps